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Sein Traum-Tor

Pascal Testroet lässt das emotionale Pendel bei Dynamo weit ausschlagen. Aber nicht nur er denkt schon an Mainz.

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Das muss er sein, der Instinkt, den Torjäger brauchen. Als Dynamos Schlussmann Patrick Wiegers den Ball lang nach vorn schlägt, ahnt Pascal Testroet, was passieren könnte. Der Stürmer spekuliert auf den Fehler von Felix Pohl, und tatsächlich verliert das 18 Jahre junge Bayern-Talent den Zweikampf mit Aias Aosman. Plötzlich, aber eben keinesfalls unerwartet, eröffnet sich Testroet die Riesenchance. „Ich habe geguckt, was Tom Starke macht, den Ball an ihm vorbeigelegt und zum Glück getroffen“, schildert der 24-Jährige sein Tor im Benefizspiel gegen den Rekordmeister.

Es ist zwar nur der Ehrentreffer beim 1:3, aber für Testroet ein ganz besonderer Moment. „Den Traum haben viele, aber nur wenige dürfen ihn sich erfüllen.“ Für den Angreifer ist es eine traumhafte Woche, nachdem er schon bei seiner Startelf-Premiere für Dynamo am Donnerstag gegen Erfurt getroffen hatte. „Das war genauso emotional“, meint er, aber irgendwie fühlt sich ein Tor gegen die Bayern eben doch noch größer an. „Es ist phänomenal, auf welchem Niveau die spielen. Wir haben versucht, unser Bestes zu geben, damit es nicht zu einfach für sie wird.“

Dabei schien einst auch für Testroet der Weg in die Bundesliga vorgezeichnet zu sein: Bereits mit vier Jahren beginnt er beim SV Biemenhorst, wird im Nachwuchs von Schalke 04 ausgebildet, bei Werder Bremen Torschützenkönig der Junioren-Bundesliga und U20-Nationalspieler. Doch auf einmal stößt er an Grenzen, was wohl weniger an seinen Fähigkeiten als an seiner Einstellung liegt. „Es hängt bei mir viel von der Laune ab: Es geht schnell nach oben oder nach unten“, meinte der Sohn eines Unternehmer-Ehepaares aus dem nordrhein-westfälischen Bocholt damals. Vor vier Jahren nimmt Testroet einen neuen Anlauf, wechselt zu Kickers Offenbach in die 3. Liga, ein Jahr später nach Bielefeld.

Zweimal steigt er mit der Arminia in die zweite Liga auf, kommt dort allerdings selber nicht an. Nach dem ersten Mal wird er an Osnabrück ausgeliehen, und vor dem zweiten Mal ist er schon auf dem Sprung nach Dresden. Zum Abschied von der Alm macht er im Mai mit seinem Tor zum 2:2 gegen Jahn Regensburg noch den Aufstieg perfekt, aber mit der Rolle als Edeljoker will sich Testroet nicht länger abfinden, sondern „endlich wieder Fußball spielen“.

Dass er gegen die Bayern auch erst eingewechselt wird, ist ihm vielleicht nicht egal gewesen, aber die 20 Minuten, die er spielen durfte, hat Testroet genutzt – und genossen. „Die Stimmung war gigantisch“, sagt er und ist überzeugt, dass es die Bayern genauso empfunden haben müssen. „Es ist für sie ja nicht normal, auswärts von den Fans gefeiert zu werden.“ Er durfte sich feiern lassen für das Tor, das sich für Fußball-Dresden etwa so anfühlt wie ein Sieg in der Champions League für die Bayern.

Es besteht die Gefahr, das emotionale Pendel könnte zu weit ausschlagen wie in der vorigen Saison nach den rauschenden Pokalnächten gegen Schalke und Bochum. „Es hat richtig Spaß gemacht, aber ich weiß, wie ich den Abend einzuordnen habe“, sagt Uwe Neuhaus. Deshalb wollte sich der Trainer auf den von den Fans besungenen Vergleich mit dem Hamburger SV nicht einlassen. „Bei den Bayern liegen zwischen solchen Spielen und der Meisterschaft noch mal viele, viele Prozentpunkte in Konzentration und Anspannung.“ Seine Mahnung: „Mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben – das ist das Wichtigste.“

Bis Sonntag müssen sich die Schwarz-Gelben wieder auf den Liga-Alltag einlassen, wenn sie vor spärlicher Kulisse im alten Bruchwegstadion gegen Mainz II spielen. „Wir wissen, dass das unser täglich Brot ist“, betont Testroet. Das Bayern-Erlebnis sei dafür hilfreich gewesen. „Wir haben bewiesen, dass wir Fußball spielen können, dass es auch gegen eine solche Mannschaft funktioniert, dass man auch gegen die ein Tor schießen kann.“

Daraus, meint der Schütze, könne man Selbstvertrauen ziehen. Das wiederum ist durchaus erwünscht.