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Seine Post kommt in der Flasche

Der Bielataler Bernd Stolze hat am Ufer der Elbe schon sechs Zettel in Flaschen entdeckt. Jetzt kam die bisher weiteste Post.

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Von Nicole Preuß

Der Zettel steckte in einer viereckigen Schnapsflasche mit tschechischem Aufdruck. Eigentlich schwer zu erkennen, aber Bernd Stolze hat ein geübtes Auge, was Flaschenpost angeht. Sechs Zettel in Flaschen hat der Gemeindemitarbeiter beim Aufsammeln von Hochwassermüll bereits entdeckt. Die tschechische Flasche fand er zwischen altem Kinderspielzeug, zerknitterten Golfbällen, alten Schuhen und Toilettensteinhalterungen in der Nähe der Rathener Fähre.

Der Zettel, der darin steckte, kam aus Lovosice. Für Bernd Stolze ist es die bisher am weitesten gereiste Flaschenpost. Über 75 Kilometer muss die Flasche die Elbe entlang geschwommen sein, bevor er sie am Elbufer fand. Zwei Mädchen haben sie am Hafen aus einer Laune heraus in die Elbe geworfen. Das zeigt zumindest das Stück Papier, auf das die tschechischen Wörter geschrieben sind. Die beiden Mädchen haben einfach die Rückseite einer Bahnfahrkarte genutzt. Bernd Stolze hat die Sache interessiert. Auf seine Bitte hin, schrieb die Angestellte einer tschechischen Tankstelle eine Mail an die angegebene Adresse. Auch die SZ versuchte auf verschiedene Weise mit den Mädchen in Kontakt zu kommen. Vergeblich. „Das ist komisch. Sie wollten doch eigentlich, dass sich jemand meldet“, sagt Stolze.

Namen, Musik, Essen

Die erste Flaschenpost, die er fand, wurde sofort beantwortet. Im November entdeckte Bernd Stolze in einer Limoflasche aus Plastik den Brief eines elfjährigen Mädchens. Sie hatte mit ihrer Klasse in Bad Schandau Urlaub gemacht und dabei vom Schlauchboot aus eine Flaschenpost in die Elbe geworfen. Der Zettel liest sich wie ein kleiner Steckbrief: Name, Geburtsdatum, Lieblingsmusik, Lieblingsessen.

Bernd Stolze hat ihn wie alle seine gefundenen Flaschenposten aufgehoben und ordentlich in einer Folie abgeheftet. Jeder Brief hat eine Hülle. So zerfledert das empfindliche Papier nicht so leicht.

Manchen Briefen hat die Sonne schon in der Transportflasche zu schaffen gemacht. Bernd Stolze zieht einen Brief aus der Tasche, auf dem nur noch ein paar Striche der Füllertinte zu erkennen sind. „Schade, dass das nicht leserlich ist, das ärgert mich ein bisschen“, sagt er und in seinem Gesicht ist tatsächlich Bedauern zu erkennen.

Urlaubskarte aus der Toskana

Allen Flaschenpost-Absendern hat er geschrieben. Bei dem kleinen Mädchen Isabell rief er kurz nach dem Fund an. Doch weil niemand antwortete, schickte er einen Brief auf die Reise nach Gera, ganz konventionell mit der Post. Den Zettel in der Flasche kopierte er mit der Bestätigung, sie in Rathen um die und die Zeit gefunden zu haben. Das Mädchen hat sich gefreut und ihm eine Karte aus dem Urlaub geschickt – aus der Toskana. Bald will sie wieder einmal ein paar Tage in der Sächsischen Schweiz verbringen. Dann wird sich die ganze Familie mit dem Finder Bernd Stolze und seiner Frau treffen. Stolze hat schon Pläne geschmiedet, was man den Gästen zeigen könnte. Am meisten berührt hat den 58-Jährigen aber wohl der Brief des 5-jährigen Ole aus der Nähe von Berlin. „Ich bin gespannt, wer meine Flaschenpost findet“, hatte die Mutter für den Jungen auf ein Stück Küchenkrepp geschrieben.

Stolze erinnerte der Zettel an seine eigenen Flaschenpost-Zeit. Zwei- oder dreimal warf er selbst eine Flasche mit Nachricht in die Elbe. Damals, er war knapp neun Jahre alt, brachte ihn sein Großvater auf die Idee. „Ich habe aber nie eine Antwort bekommen, wahrscheinlich haben die Schaufelraddampfer die Glasflaschen kaputtgeschlagen“, sagt Stolze. Vielleicht liegen sie aber auch achtlos irgendwo herum. Das will Stolze verhindern. „Gerade die Kinder sollen wissen, dass sich jemand für so was wie Flaschenpost interessiert“, sagt er.

Dieses Ziel hält ihn aber nicht davon ab, auch älteren Absendern zu schreiben. Mitglieder einer Reisegruppe, die eine Karte aus Hrensko so gefaltet hatten, dass sie in eine Flasche passte, haben sich für Stolzes Antwortschreiben auch ganz herzlich bedankt. „Ich hab nachgefragt, wo sie die Flasche in die Elbe geworfen haben“, sagt Stolze. „An der tschechischen Grenze“ – war die Antwort.