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Selbstbestimmt im Grünen leben

Die Advita-Pflege eröffnet im Großenhainer Speichergelände eine Anlage für Betreutes Wohnen. Ab August könnten die ersten Mieter einziehen.

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Von Manfred Müller

Großenhain. Werner Schober hat gleich einen Zollstock mitgebracht. „Wir wohnen jetzt in einem großen Haus“, sagt er. „Wenn wir hierher umziehen, gibt es viel zu stellen.“ Hin und wieder wiegt der Rentner aus Naundorf bei Ortrand zweifelnd den Kopf. Offensichtlich passt nicht alles so, wie er sich das vorgestellt hat. Schober ist einer von mehr als 200 Interessierten, die sich beim Tag der offenen Tür die neue Wohnanlage im Großenhainer Speichergelände anschauen. Insgesamt 28 Einraum- und sieben Zweiraumwohnungen sind in den ehemaligen Getreidespeicher eingebaut worden. In die benachbarte Getreidemühle soll zum Jahresende eine Tagespflegeeinrichtung einziehen – vor allem für Menschen mit Demenzerkrankungen. Betrieben wird das Objekt von der Pflegeeinrichtung „advita“. Die Bauherren haben die Grundkonstruktion der Speicherböden beibehalten – gusseiserne Säulen, Stahlträger und Deckenbalken wurden in die Innenarchitektur einbezogen. Das gibt den Wohnungen ein uriges, originelles Aussehen. In den Schacht des alten Lastenaufzugs wurde ein Personenaufzug eingebaut. Was momentan noch nicht zu sehen ist: Nahezu der gesamte Innenhof des Speichergeländes soll zu einer grünen Oase umgebaut werden. Auf den Beeten und Rabatten können die künftigen Bewohner dann auch selbst ein bisschen gärtnern. „Vor allem aber wollen wir erreichen, dass die Menschen sich nicht in ihrer Wohnung eingesperrt fühlen, nach draußen gehen und in Kontakt mit anderen kommen“, sagt Objektleiter Dirk Schumann.

Das sei schon eine tolle Idee, findet Werner Schober. Aber die Mietpreise ... Eine Einraumwohnung von 33 Quadratmetern kostet circa 430 Euro, eine Zweiraumwohnung von 70 Quadratmetern 860 Euro. Hinzu kommt – wenn Betreuung gewünscht ist – eine entsprechende Vergütung und bei Bedarf die Kosten für eine Vollpension. „Sicher, die Miete liegt über dem ortsüblichen Durchschnitt“, erklärt Dirk Schumann. „Dafür wird aber auch eine Rundumversorgung angeboten.“ So können die Mieter im betreuten Wohnen später die Tagespflegeeinrichtung besuchen. Rund um die Uhr steht ihnen eine Fachkraft zur Verfügung; die Zimmer sind behindertengerecht ausgebaut und mit einer Notrufeinrichtung versehen. Es gebe Interessenten, die am liebsten gleich heute einziehen wollen, sagt Schumann. Dabei sei zu bedenken, dass das Speichergelände in den nächsten Monaten noch eine Baustelle bleiben wird. Vor allem die Einrichtung der Außenanlagen zieht sich noch etwas hin. Dann aber soll das Gelände Ruhe und Geborgenheit ausstrahlen. Die Autos werden weitestgehend vom Speicher-Hof verbannt. Geselligkeit verspricht die Gaststätte „Zum wilden Keiler“, die unmittelbar im Gebäudekomplex liegt. Hier können sich die Senioren auf einen Kaffee treffen, oder – wenn sie Besuch von ihren Angehörigen bekommen – zum Essen ausgehen.

Mit dem betreuten Wohnen, der Tagespflege und den drei Demenz-Wohngruppen im Nachbargebäude wird der Speicher zu einem der großen Betreuungsstandorte in der Röderstadt ausgebaut. Die Synthese aus der alten Gebäudestruktur und der neuen Nutzung sei eine große Herausforderung gewesen, sagt Architekt Joachim Hannemann. Die tragenden Bauteile stammen aus der Zeit zwischen 1870 und 1890 und mussten vor allem brandschutztechnisch auf die Höhe der Zeit gebracht werden. Als Vorratslager für die Husaren erbaut, diente der Komplex später als Getreidespeicher und nach der Wende als Möbelverkaufsstelle. Dadurch ist er als „Möbelspeicher“ im Volksmund aufgegangen.