Seltsam-schöne Straßennamen

Von Gregor Schneider
Weißwasser. Im Traum fragte mich neulich jemand, ob es in Weißwasser denn auch eine Helmut-Kohl-Straße gäbe. Vor Schreck wachte ich auf. Das war der Auslöser, mal Weißwassers Straßenverzeichnis zu studieren – und siehe da, diese Straße fehlt, dafür gibt es eine ganze Reihe bemerkenswerter Straßennamen in unserem Städtchen.
Will oder darf niemand siedeln?
Straßen, die Namen von Politgrößen der jüngeren Vergangenheit tragen, gibt es reichlich wenig, doch sollen zwei genannt sein: Süßmuthlinie und Martin-Schulz-Straße. Beiden ist gemein, dass sie keine Hausnummern haben. Will oder darf dort niemand siedeln? Sehr interessant ist auch die „Zaunlinie“ in der Nähe des Torhauses Grüner Weg. Eine pragmatische Bezeichnung für einen Waldweg ohne Zaun – vermutlich stand dort mal einer, vielleicht der des alten Tiergartens. Eine Straßenbezeichnung, aus der ich noch nie schlau wurde, ist „In der Meschina“. Hier wäre ich für Erklärungen dankbar, denn vermutlich ist es eine ganz naheliegende Beschreibung für diesen Ort – wenn man es versteht.
Altehrwürdige Straßennamen scheinen „Dominium“ und „Am Dorfbrunnen“ zu sein. Hier lag das kleine Dörfchen Weißwasser im Wald versteckt, auch wenn es heute schwer fällt, den Dorfbrunnen oder das Dominium ihrer stadthistorischen Bedeutung angemessen wahrzunehmen. Wo genau war der Brunnen? Ich konnte ihn nicht entdecken, leider. Straßen, deren Namen für die Blütezeit Weißwassers stehen und dem Heidedorf Weltruf verschafften, sind die der Herren Gelsdorf, Schweig und Wagenfeld. Auch wenn erstere Straße mit der Ruine der Gelsdorf-Hütte um die Wette eifert, nicht ehrwürdig auszusehen. In engem Zusammenhang mit der großen Glasgeschichte steht natürlich die Straße „An der Hopfenblüte“. Wohl dem, der von hier wieder nach Hause fand. Glaubt man dem Internet, gibt es das Lokal heute noch.
Zwei meiner Lieblingsstraßennamen in Weißwasser sind „Boulevard“ und „Hegelpromenade“. Sie klingen beide so weltstädtisch. Beim Boulevard denkt man doch gleich an Paris, mindestens aber an den Krefelder Ostwall. Eben eine schicke Flaniermeile. In Weißwasser wurde das Modell neu interpretiert, was es sehr besonders macht. Die Hegelpromenade war ja früher tatsächlich eine Art Kammweg mit Ausblick. Zurzeit wird sie ein Stück mehr geheilt von den recht groben Eingriffen des späten 20. Jahrhunderts – was ihr gut tut.
Bleiben noch zwei Namen, die für die Zukunft der Stadt größere Bedeutung haben sollten: die Straße der Jugend und der Platz der Freundschaft. Im Idealfall müsste jede Straße von der Jugend angenommen und belebt sein, zumindest sollte so ein Straßenname nicht nur Adresse, sondern auch Aufgabe sein für die, die Zukunft gestalten. Und der Platz der Freundschaft sollte so eine Anziehungskraft erzeugen, dass hier tagtäglich alle zusammenkommen, die sich gern haben. Den Auftakt könnte der neue Stadtrat machen, indem er seine konstituierende Sitzung dorthin verlegt – als ein symbolisches Signal für das Verständnis von konstruktivem Arbeiten. Oh, schon wieder ein Traum.
Blühende Landschaften
Zurück zur Helmut-Kohl-Straße: Sollte es sie doch einst geben, dann am ehesten in den blühenden Landschaften der Südstadt – dort wurde dieser Traum wohl wahr.
Unser Autor Gregor Schneider ist gebürtiger Weißwasseraner und Rückkehrer. Der Stadtplaner begleitet aktiv die Transformation der Heimatregion. Hier äußert er seine privaten Gedanken zum Stadtgeschehen.