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Senioren freuen sich auf Huhn Henriette

Reichenbach. Barbara Pinkert besucht mit ihren Tieren Altenheime, so auch das Martinstift.

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Von Constanze Junghanß

Henriette legt ihren Kopf schief und blinkert mit dem linken Auge. Dann hüpft die braune Henne bei Elfriede Lohrbach auf den Schoß. Das Huhn besucht die Seniorin im Reichenbacher Martinstift. Ihr Artgenosse Graf Pollo, ein stattlicher Hahn, ist in der Einrichtung der Diakonie ebenso zu Gast wie der Hund Billi, weiße Kaninchen und zahme Meerschweinchen.

Mitgebracht hat die Tiere Barbara Pinkert. Seit 1994 besucht die Gebelzigerin Menschen in Heimen und therapeutischen Einrichtungen zwischen Görlitz und Dresden. Im Martinstift begann sie ihre ehrenamtliche Arbeit, und noch heute kommt sie mehrmals im Jahr mit ihren Tieren nach Reichenbach zu Besuch. „Mein Sohn Stefan absolvierte hier im Heim seinen Zivildienst“, erzählt sie.

„Ein Tier ist der Draht zwischen zwei Menschen“, findet Barbara Pinkert. Sie begründet ihr Engagement damit, dass die von ihr Besuchten sehr dankbar sind. Tatsächlich stellen Huhn, Hase und Co. eine Verbindung der besonderen Art zwischen den Senioren und ihren Erinnerungen her. Elfriede Lohrbach streichelt Huhn Henriette vorsichtig. „Wir hatten früher so viele Hühner, dass wir die Eier verschenken mussten“, erzählt sie.

Gemeinsam mit Margarete Hoffmann, Johanna Ullrich, Elfriede Kretzschmer und Herbert Wohl-stein sitzt sie an dem Tisch, auf dem die beiden Hennen entlang- spazieren. „Schau’n Sie mal! Die pickt mir die Körner aus der Hand“, ruft Margarete Hoffmann fröhlich. Johanna Ullrich beobachtet das Geschehen still. Ihre Augen leuchten, als eines der Meerschweinchen an den Tisch gebracht wird. Streicheln und kuscheln ist nun angesagt. Eines der weißen Kaninchen hat derweil im Schoß von Herbert Wohl-stein Platz genommen. Ganz ruhig sitzt das Tier und schaut den Mann im Rollstuhl mit großen Augen an. „Das möchte ich am liebsten behalten“, sagt er und blickt Babara Pinkert an. Die schmunzelt. Behalten gehe leider nicht, aber wiederkommen werde sie schon. „Wissen Sie, wenn man über die Jahre hinweg beobachtet, was Tiere bei den Menschen erreichen können, staunt man selber manchmal“, sagt sie.

Tiere nicht dressiert

Verkrampfte Hände lösen sich, um Fell oder Federn zu berühren. Stille Münder öffnen sich, und Erinnerungen tauchen plötzlich auf. Die betagten Frauen und Männer kommen ins Gespräch. Ja, Meerschweinchen habe man schon früher zu den Kaninchen in den Stall gesetzt. Eier vom Bauern würden immer noch am besten schmecken. Einige Gespräche führen in die eigene Jugend zurück. Namen alter Hühnerrassen werden aufgezählt, der Stall beschrieben oder die Arbeit auf dem Hof.

Dressiert hat Babara Pinkert ihre Tiere nicht. Huhn Henriette zum Beispiel ist eine ganz normale Legehenne. Dadurch, dass sich die Gebelzigerin liebevoll und intensiv mit den Tieren beschäftigt, wurden sie handzahm.

Nun interessiert sich das Fernsehen für die nicht alltägliche Crew. Für einige der Zwei- und Vierbeiner ist das Berühmtsein nichts Besonderes mehr. Hund Billi, der auf Kommando das linke und rechte Vorderbein zum Gruß hebt, wurde bereits als Fernsehstar durch die Sendung „Tierisch, Tierisch“ bekannt. Die Hühner standen schon im Görlitzer Theater in der Vorstellung „Polenblut“ auf der Bühne.