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Was es mit dieser Sennhütte auf sich hat

Vor 160 Jahren erwarb der Königlich-Sächsische Hofrat Carl von Koenneritz ein Freigut und nutzte es als Sommersitz. Zu ihm gehörte auch eine Brennerei.

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Das Koenneritzgut, gemalt vom Leutersdorfer E. Rösler 1950. Koenneritz hatte das 1850 von F. W. A. Schöbel mit Blockstube und großem Laubenvorbau errichtete Haus 1860 erworben. Das Nebengebäude links war einst Stall. ist heute unbewohnt.
Das Koenneritzgut, gemalt vom Leutersdorfer E. Rösler 1950. Koenneritz hatte das 1850 von F. W. A. Schöbel mit Blockstube und großem Laubenvorbau errichtete Haus 1860 erworben. Das Nebengebäude links war einst Stall. ist heute unbewohnt. © Sammlung Eichhorn

Von Dietmar Eichhorn

Leutersdorf, Friedensstraße 57. Das geschichtsträchtige Haus von 1850 ist in einem tollen Zustand, es wurde denkmalgerecht saniert. Es handelt sich um das Haupthaus des einstigen Freigutes Oberleutersdorf III. Dieses Anwesen wurde als Koenneritzgut berühmt. In diesem Jahr wurde dort eine kleine Tafel angebracht, die dem Wanderer geschichtliche Informationen liefert.

Der Dresdner Advokat Carl von Koenneritz hatte das Gut im Jahre 1860 zusammen mit dem Gut Oberleutersdorf II erworben. Als Sommersitz und Geldanlage gedacht, nannte er es in Anlehnung an seine Schweizreisen "Sennhütte". Carl von Koenneritz galt als Vertrauensmann für Ratlose und nahm sich schutzloser Witwen an. Der Königlich Sächsische Hofrat starb 1885. Seine Frau Isidore, eine geborene von Kyaw, rief in Dresden und Radebeul soziale Einrichtungen ins Leben, so das Kinderhaus "Lindenhof". Sie traf die Maler A. L. Richter und Julius Schnorr von Carolsfeld, der durch die Bilderbibel bekannt wurde. Sie verstarb 1919. 

Die Tochter Isidora Marie von Koenneritz kam 1873 in Dresden zur Welt. Schriftstellerisch veranlagt, schrieb sie mit 17 Jahren ihr erstes Buch "Deutscher Kinderfreund", dann das Weberbüchlein und vieles mehr. Nach dem Tod ihrer Mutter verlegte Marie ihren Wohnsitz nach Leutersdorf und verfasste Gedichte wie "Mein Leutersdorf", "Unsere Sorge", "Die Neue Welt", "Unsere Hetze" (Unser Hetzwalde). Sie gestaltete auch Spruchkarten. Marie von Koenneritz war fromm und, wie ihre Eltern, sehr sozial eingestellt. In Leutersdorf wurde sie als die "Sennhüttenmutter" bekannt. Sie blieb unverheiratet und verstarb 1962. Ihr Grab befindet sich auf dem Neuen Friedhof von Leutersdorf.

Dieses Schild mit Erläuterungen brachte Wegewart Dietmar Eichhorn am Koenneritzgut an
Dieses Schild mit Erläuterungen brachte Wegewart Dietmar Eichhorn am Koenneritzgut an © Dietmar Eichhorn

Erwähnenswert ist auch, dass Maries Tante Ida die Mutter des sächsischen Generals Carlowitz war. Der sächsische Kabinettsminister Julius Traugott Jakob von Könneritz, in dessen Amtszeit die Verträge zur Niederleutersdorfer Enklaveübergabe von Böhmen an Sachsen vorbereitet wurden, war ein Großonkel von Marie. Eduard von Könneritz, sein jüngerer Bruder, Regierungsrat und königlich-sächsischer Kreisdirektor von Dresden und Bautzen, war am 12. März 1849 beim Staatsakt zur Übergabe der Enklave Niederleutersdorf zugegen.

Die Felder und Wiesen des Koenneritzgutes waren verpachtet. Koenneritz selbst hatte neben einer 100-jährigen Linde weitere Bäume gepflanzt und ein Wäldchen angelegt. Eine Marieneiche für die Tochter wuchs neben der Scheune. Leider wurden die Bäume in den Notzeiten 1945/1946 abgeholzt. Der im Laufe der Jahrzehnte ausufernde Bewuchs wurde 2015 stark reduziert. Das Wäldchen zog sich bis zu einer Wiese hinauf, fast bis zu einem Brunnen. Dessen Holzröhren führten hinunter zum Herrenhaus. Unter dem Vorbau des Gutshauses oder auch im Wäldchen gab es Sitzgelegenheiten, um im Grünen Kaffee trinken zu können. Hier hielt sich Marie von Koenneritz viel mit Gleichgesinnten auf. Sonntags zur Bibelstunde kamen Herrnhuter und sprachen vor 200 Anwesenden.

Zum Koenneritzgut gehörte auch die Obere Brennerei. Die Gaststätte war zu DDR-Zeiten Ferienheim der Keulahütte Krauschwitz bei Weißwasser.
Zum Koenneritzgut gehörte auch die Obere Brennerei. Die Gaststätte war zu DDR-Zeiten Ferienheim der Keulahütte Krauschwitz bei Weißwasser. © Sammlung Eichhorn

Zum Gut gehörte auch eine Brennerei (Friedensstraße 55). Sie wurde 1813 als Obere Brennerei erbaut. Das Brennrecht lag beim Gut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde daraus eine Gaststätte mit Ferienheim der Keulahütte Krauschwitz und danach von anderen Betrieben. Im Sommer wurde das Objekt als Ferienlager genutzt. Während die Gaststätte bereits 1966 schloss, blieb das Ferienheim bis zur Wende bestehen. 1993 wurde das Gebäude verkauft und zu Wohnzwecken umgebaut. Der zugehörige Teich hat leider beim Hochwasser 2013 sehr gelitten und steht seitdem ohne Wasser.

Dieses Thema wird auch im Oberlausitzer Familienkalenderbuch 2021 eine Rolle spielen.Dietmar Eichhorn ist Lehrer im Ruhestand. Als Wegewart bietet er auch Führungen an: 03586/787377

Oberleutersdorf und seine Güter

  • Ein einziges Rittergut hatte Oberleutersdorf ursprünglich.
  • Im Jahre 1735 erbte es der Obristlieutenant Ehrhard Gottlob Ehrenfried Oberland. Da er in Geldnot war, verkaufte er die Einzelteile seiner Herrschaft. Es entstanden die neuen Güter Oberleutersdorf I, II, III und Mittelleutersdorf.
  • Oberleutersdorf I, das ehemalige Rittergut, ist als Schloss (noch nicht vollständig restauriert) allgemein bekannt. Der Barockbau an der Geschwister-Scholl-Straße entstand 1828/29, hat einen quadratischen Grundriss und trägt ein Mansarddach. Der dazugehörige Park verschwand, als die heutige Geschwister-Scholl-Straße verlegt wurde.
  • Oberleutersdorf II (Friedensstraße 47) war die einstige Niedere Brennerei. Auf diesem ehemaligen Gasthof mit Fleischerei lag das Realrecht. Dazu gehörten „die Gerechtigkeit zum Branntweinbrennen, Schlachten, Backen, Bier- und Branntweinschank und Salzschank“.
  • Oberleutersdorf III (Friedensstraße 57) ist als Koenneritzgut bekannt und im nebenstehenden Beitrag ausführlich beschrieben.

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