Von Anke Dürkoop
Der zugige Acker bei Neu-Kyhna südwestlich von Delitzsch lässt nichts ahnen von dem spektakulären archäologischen Fund. Seit August graben dort Forscher des Sächsischen Landesamts für Archäologie an einer von vier Kreisgrabenanlagen aus der Jungsteinzeit, die auf engem Raum nebeneinanderliegen. „Neu-Kyhna 3“ heißt die Anlage im Fachjargon. Sie hat 135 Meter Durchmesser und besteht aus vier Kreisgräbenringen. Luftbilder zeigen, dass sich in der Mitte ein Platz von 50 Metern Durchmesser befindet.
In einem der vier Durchlässe haben die Archäologen ein zehn Meter breites Grabungsfeld angelegt. Heute wollen sie beobachten, ob der Sonnenaufgang zu Winterbeginn genau durch diesen südöstlichen Durchlass fällt. Wie im englischen Stonehenge könnte auch die Anlage von Kyhna als vorzeitliches Observatorium gedient haben. Aber Harald Stäuble, Projektleiter beim Landesamt für Archäologie, ist skeptisch: „Die Wetterlage im Winter gibt einen sicheren Sonnenschein einfach nicht her, da hätten unsere Vorfahren lange auf den ersehnten Sonnenstrahl warten müssen.“ Er glaubt, dass die Anlagen für verschiedene Zwecke genutzt wurden, zum Beispiel als Marktplatz. Er kann sich auch eine Art Amphitheater vorstellen, denn durch die Anordnung meterhoher Erdwälle in Kreisform wurde der Schall auf den zentralen Platz gerichtet. Digitale Rekonstruktionen der Kreisgrabenanlage in Goseck bei Naumburg zeigten, dass die Akustik ganz hervorragend gewesen sei.
Erstmals Knochen gefunden
Dass die Kreisgrabenanlagen womöglich als Versammlungsorte für ganz unterschiedliche Veranstaltungen genutzt wurden, belegen die neuesten Ergebnisse von „Neu-Kyhna 3“. Der innere Ring, ein Palisadenring, wie die Bodenuntersuchungen ergaben, war nämlich in sich geschlossen. Nur an einer Stelle gab es einen Durchlass – ein sogenanntes Zangentor. Solche Zangentore gibt es heute an Bahnübergängen oder in Stadien. Menschen wurden in Neu-Kyhna womöglich durch dieses Tor „kontrolliert“ auf den inneren Platz geführt.
Bisher waren an sächsischen Kreisgrabenanlagen noch nie Knochen gefunden worden. Jetzt aber war dies den Archäologen gelungen. Mithilfe der Kohlenstoff-Analyse ist nun eine genaue Altersbestimmung möglich, erklärt Stäuble.
Die Kreisgrabenanlagen von Neu-Kyhna werden wie die von Dresden-Nickern der Jungsteinzeit (Neolithikum) zwischen 4600 und 4800 vor der Zeitrechnung zugeordnet. Das ergaben Tonscherbenfunde in der Grabenfüllung aus der Phase der Stichbandkeramik. Aber die Besiedlung dieser Gegend ist schon älter. So fand man auf dem Grabungsgelände auch Tonscherben der Linienbandkeramik von 5300 bis 5500 vor Christus.