Sie haben fest an ihr Glück geglaubt

Dresden. Monique hatte so viel Angst, dass es für ein ganzes Leben reicht. Eigentlich sogar für zwei. Wenn sie davon erzählt, umfasst sie fest ihren Kaffeepott, und immer wieder glitzern Tränen in ihren Augen. Dabei wollte sie ja nur das, was sich so viele andere Frauen auch wünschen - und bekommen: ein Kind. Doch die 33-Jährige und ihre Ehefrau Mandy mussten einen ungleich schweren und langen Weg gehen, um ihr Familienglück zu finden.
Als sich die beiden vor zwölf Jahren kennenlernten, zusammenzogen und schließlich Hochzeit feierten, deren bürokratische Bezeichnung nicht Ehe, sondern eingetragene Lebenspartnerschaft lautete, ahnten sie nicht, was auf sie zukommt. Mit welchen Rechten ihre Verbindung ausgestattet war und mit welchen nicht, das kümmerte sie noch wenig. "Wir heiraten doch aus Liebe", sagten sie damals.
Spätestens, als ihre Liebe Ergänzung suchte, fiel ins Gewicht, was kaum jemand notiert, den es nicht betrifft. Obwohl Mandy und Monique vor zwei Jahren noch einmal geheiratet hatten - die sogenannte Ehe für alle war derweil vom deutschen Bundestag beschlossen worden - galten für sie nicht die gleichen Rechte wie für heterosexuelle Eheleute.
Dennoch haben sie das gleiche Schicksal wie viele andere Paare: Das ersehnte Kind blieb aus. Als Erzieherinnen betreuen sie tagtäglich so viele Kinder. Mit einem eigenen wollte es nicht klappen. Monique wurde auf natürlichem Weg von einem Bekannten zwar schwanger, erlitt aber mehrere Fehlgeburten. Mandy war bereits Mutter geworden. Ihre Tochter Lea ist inzwischen 19 Jahre alt.
Eine künstliche Befruchtung würde helfen, hofften sie - und trafen auf Paragraf 27a. Er besagt, dass Kosten für Kinderwunschbehandlungen nur erstattet werden, wenn Eizelle und Samen von den Ehepartnern stammen. Schwierige Sache für lesbische Paare. Die Natur schließt diese Voraussetzung für sie aus.
So verkauften Mandy und Monique ihr Motorrad und eines ihrer beiden Autos, lösten Sparkonten auf und starteten sogar eine Sammelaktion. Tausende Euro sind in ihren Traum vom eigenen Kind geflossen. Doch nicht einmal die Bereitschaft, alle Rechnungen selbst zu tragen, öffnete ihnen die Möglichkeiten, die andere haben. "In Sachsen behandeln Ärzte keine lesbischen Paare, die eine künstliche Befruchtung wünschen", erklärt Monique. Zum Glück fanden die beiden in Berlin die Praxis für Fertilität, bei deren Medizinern und Pflegern sie sich gut aufgehoben fühlten.
"Eigentlich konnten wir uns einen weiteren Versuch nicht leisten"
Fünf Jahre nach den ersten Versuchen, gemeinsam Eltern zu werden, schlummern Amy und Tommy friedlich in ihren Gitterbettchen. Das Kinderzimmer hatten Monique und Mandy schon lange fertig eingerichtet. Doch ein Schmerz, eine Enttäuschung und Verzweiflung jagte die nächste. Das schlagende Herz ihres winzigen Sohnes Noah, der es doch nicht ins Leben schaffte, werden sie nie vergessen. Die ständige Angst um ein werdendes Leben dominierte den Alltag und stellte das Paar vor eine schwere Belastungsprobe.
Wenn Monique das Sprechen über diese dramatische Zeit zu schwer wird, nimmt Mandy ihre Hand und versucht zu beschreiben, was sie und ihre Frau erlebten: Zermürbt vom Hoffen und Bangen hatten sich die beiden 2018 als Adoptiveltern beworben. Doch die Sehnsucht danach, auch körperlich Mama zu werden, ließ Monique nicht los. "Eigentlich konnten wir uns einen weiteren Versuch nicht leisten", erzählt Mandy.
Doch eine neue Regelung im Steuerrecht erlaubte es gleichgeschlechtlichen Paaren, Kosten für Kinderwunschbehandlungen geltend zu machen. Dieses und noch einige andere finanzielle Polster brachten Mandy auf einen Gedanken, den sie nicht verdrängen konnte: Die Ärzte hatten inzwischen Moniques Voraussetzungen, ein Kind zu bekommen so gründlich analysiert, einen entsprechenden Behandlungsplan erstellt und ihr gute Chancen ausgerechnet. Sollte es nun am Geld scheitern? "Ich habe gedacht: Das darf nicht sein!" Also bestärkte sie ihre Frau darin, noch einen einzigen Anlauf zu nehmen.
Wenn Tommy eine neue Entdeckung in seiner Babywelt macht, reißt er die blauen Augen weit auf und zieht die kleine Schnute zu einem Kussmund zusammen. Ein Ausdruck zwischen hoher Konzentration und verschmitzter Grimasse. Als er in Moniques Bauch sieben Wochen alt war, erfuhren seine Mamas, dass es neben ihm noch ein zweites Miniwesen in ihr gibt. Nach neun Wochen begann die zarte Hoffnung, dass sein Werden und das seines Geschwisterchens von mehr Glück begleitet sein könnte, als das der anderen zuvor. Und als Tommy zwölf Wochen gewachsen war, sagten sich seine Eltern: Die aller kritischste Phase ist geschafft.
Am schlimmsten war es am Montag und Dienstag
Doch die Zitterpartie dauerte noch lange an. "Wir hatten jeden Mittwoch Termin zum Ultraschall", erzählt Mandy. Mit großem Glücksgefühl darüber, dass mit den Babys alles in Ordnung ist, ging Monique dann jede Woche in den Donnerstag und Freitag. Am Wochenende half Ablenkung, doch richtig schlimm litt sie am Montag und Dienstag. Die Erinnerung an diese fürchterliche Angst davor, am Mittwoch vom Arzt eine schlimme Nachricht zu erhalten, bringt Monique noch heute aus der Fassung.
Doch die Zwillinge wuchsen und gediehen, und an ihrem 33. Geburtstag verkündete Monique, was sie und Mandy inzwischen erfahren hatten: Sie werden Mamas eines Sohnes und einer Tochter - Tommy und Amy.
Am 2. Oktober kamen die beiden in der Uniklinik zur Welt: Amy mit drei Minuten Vorsprung als große Schwester. "Jetzt wissen wir, dass es neben der Kinderwunschbehandlung noch eine weitere Regelung gibt, die uns ungleich mit anderen Paaren stellt", sagt Mandy. Wird innerhalb einer heterosexuellen Ehe ein Kind geboren, ist der Ehepartner automatisch als Vater akzeptiert. Mandy hingegen ist als Moniques Ehefrau nicht selbstverständlich Mutter. Um Elternteil zu werden, muss sie Amy und Tommy erst adoptieren.
Und auch diese Aufgabe werden Mandy und Monique meistern. Tochter Lea, Freunde und die ganze Familie geben Kraft. Denn im Herzen interessieren sie sich nicht für Finessen in der Gesetzgebung, die unter "Ehe für alle" viel zu viel verspricht. Sie wollen einfach nur eine glückliche, bunte Familie sein.