Von Jörg Marschner
Die Trockner im Keller rauschen ihr eintöniges Lied. Durch die Holzverschalung der äußeren Wohnzimmerwand pfeift an einer Ecke der Wind. Noch immer hängt der Geruch von Heizöl in der Luft, und immer wieder geht Heiko Makowitschka (35) mit dem Sprühgerät in den Keller, drückt das gesponserte Kontaminierungsmittel Sintan auf die Wände, um eine Viertelstunde später jene Schicht abzukehren, die das Mittel aus der Wand gezogen hat. Die alte Ölheizung hatte es regelrecht zerdrückt. An normales Wohnen ist in diesem Weesensteiner Haus kurz vor der Eisenbahnbrücke der Müglitztalbahn noch lange nicht zu denken.
Vierzig Tage ist es jetzt her, dass das Drama begann. Kathleen Sobczinski (29) sagt: „Drüber nachdenken darfst du nicht.“ Heiko stimmt zu: „Dann würde man nur verzweifeln.“ Kathleen: „Wir machen eins nach dem anderen und sagen uns: Entweder es geht oder es geht nicht.“ Heiko: „Das Verrückte ist, in der Woche vor der Flut waren wir gerade fertig geworden mit der letzten Arbeit, mit dem Zaun vorm Grundstück und mit der Gestaltung des Gartens. Von dem ist auch nichts mehr da.“ Kathleen: „Wir haben gesagt, jetzt haben wir’s geschafft. Dann kam das Wasser, und alles war weg.“ Heiko: „Das Schlimmste danach waren die Tage mit der Ungewissheit, ob das Haus überhaupt stehen bleiben kann oder ob die Statik weg ist. Wir hatten noch mal Glück.“
Über die Dächer aus dem Haus geflohen
Das Haus stammt aus dem Jahr 1927, als die Müglitz schon einmal das Tal verwüstete, aber das rohbaufertige Gebäude stehen ließ. Im Sommer 1998 übernahmen Kathleen und Heiko das Haus und sanierten und modernisierten das meiste von Grund auf – mit Kredit und ein paar Eigenmitteln, ein schönes Zuhause auch für den inzwischen dreieinhalb Jahre alten Nico.
Als an jenem Montagnachmittag das Wasser der Müglitz immer höher stieg, nahm Kathleen ihren Nico auf die Schulter und machte sich mit Mutter, Vater, Bruder, die gerade zu Besuch waren, auf den Weg talauf Richtung Ortszentrum. Alle vier mit einem Seil verbunden, um nicht weggerissen zu werden von der schon starken Strömung. Heiko blieb im Haus. Als jedoch die Müglitz in der Nacht die Straße wegriss, an den Fundamenten des Hauses zerrte und unmittelbar unter den Fenstern tosend einen über zwei Meter tiefen Graben ausspülte, floh er über die Dächer zum nahen Steilhang und verbrachte dort schlimme Stunden bis zum Dienstag. Asta, die große graue Dogge, musste noch länger im Haus aushalten.
Kathleen und Heiko erzählen auch deshalb so intensiv davon, weil es ihnen hilft, sich von dem Schrecken frei zu machen. Diese Woche jedoch waren sie für einen Moment sprachlos: Das war als sie erfuhren, dass sie und vier Familien in Dohna von der Firma Dr. Th. Boehme KG je 4 000 Euro für den Wiederaufbau erhalten. Das im bayerischen Geretsried ansässige Chemieunternehmen spendete die insgesamt 20 000 Euro für Lichtblick und damit für sächsische Hochwasseropfer, weil es sich dieser Region noch immer verbunden fühlt: 1879 war es in Dresden von A. Th. Boehme als Firma für Seifen und Holzextraktfarbstoffe gegründet worden. Die einzige Bedingung der Geretsrieder: Die Hilfe sollte zu gleichen Teilen an fünf besonders betroffene Familien gehen.
„Die Spende schafft uns ein wenig Luft“, sagt Heiko. Das Haus ist zwar versichert, aber was wirklich gezahlt wird, steht in den Sternen. Kessel und Boiler für die Heizung kosteten schon 5 500 Euro, der neue Sicherheitstank wird mit Einbau noch mal 4 500 Euro schlucken. Kommt die Versicherung voll dafür auf oder zahlt sie nur den Zeitwert? So steht die Frage nicht nur einmal. Einrichtung und Möbel sind nicht versichert.
Wie hoch der Schaden sein könnte, hat das junge Paar noch nicht ausgerechnet. 40 000 Euro oder mehr? „Allein die Küche hat fast 7 000 Euro gekostet“, sagt Kathleen. „Man darf wirklich nicht dran denken.“ Hinzu kommt die Arbeitslosigkeit. Kathleen wollte jetzt bei der Mutter im Blumenladen in Dohna anfangen. Aber durch den ging auch die Müglitz, so dass es mit Arbeit in absehbarer Zeit erst mal nichts wird.
Kathleen und Heiko lassen sich wie die anderen Familien noch die Adresse der Geretsrieder Firma sagen: „Wir wollen uns persönlich bedanken. Wir hätten eine solche Hilfe nie für möglich gehalten.“
Spenden für Lichtblickbitte auf das Konto 255 255 255 bei der Stadtsparkasse Dresden BLZ 850 55 142.
Telefon für Hilfe Suchende und Spender 01805/306 306.