Von János Joó
Wellen schlugen die vier neu erworbenen Kähne für die Kahnfahrt Obere Schleuse in Hinterhermsdorf schon bevor sie überhaupt ins Wasser gelangten. Denn genau hier lag das Problem: Erheblich schwerer als ihre Vorgänger, warf der Transport im unwegsamen Gelände viele Fragen auf. Schließlich war sogar im Gespräch, den Winter abzuwarten, um sie dann über den Schnee zu schieben. Ein erster Versuch , die Boote an ihren Einsatzort zu bringen, wurde nun aber doch schon gestern unternommen.
Voller Körpereinsatz
Gegen 8.30 Uhr ist noch niemand unterwegs in der Kirnitzschklamm. Das Brummen von Maschinen fällt deshalb besonders auf. Mit dem Lkw wurden die vier jeweils 2,5 Tonnen schweren Kähne aus dem Lager in Sebnitz so nahe an die Obere Schleuse transportiert wie möglich.
Nun sind sieben Männer – vier Mitarbeiter der städtischen Bauhof Service GmbH (BHS) und drei Kahnfahrer – schwer am Schaffen. Die Anspannung liegt förmlich in der Luft, denn es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die vor ihnen liegt. Mit Spanngurten werden an einem 50 Zentner schweren und etwas über neun Meter langen Kahn zwei Radachsen befestigt. Um Steine und Bäume herum soll der Koloss nun den abschüssigen Weg hinunter zur Oberen Schleuse bewegt werden. Vorsichtshalber werden vorab die Schlaglöcher mit Schotter gefüllt. Dann rollt das Gefährt abwärts, doch nur zentimeterweise, denn die Sicherheit geht vor.
Ein an einem Multicar befestigtes Stahlseil sorgt für genügend Halt, während zwei der Arbeiter die Achsen lenken und andere den Wagen einweisen. „Langsamer! Vorne noch ein bisschen nach rechts! Stopp!“, tönt es durch den Wald. Mit vollem Körpereinsatz dirigieren die Männer den Kahn Richtung Wasser. Das gespannte Stahlseil schneidet tief ins Moos, wo es die Erde oder die Felsen berührt.
Gegen 9.20 Uhr ein erstes Aufatmen: Ohne Schrammen und größere Schwierigkeiten steht der Kahn vor der Bootsstation. „Bei Schnee und Eis, wo wir uns selber kaum auf den Beinen halten können, wäre das nichts geworden“, vermutet einer der Arbeiter. „Das Gewicht wäre nicht zu halten gewesen.“
Die Ente muss weg
Nun gilt es, das Boot auch zu Wasser zu lassen: Zwischen zwei Bäumen wird mit sogenannten Tragkraftschlaufen – jede trägt 3 000 Kilogramm – eine Konstruktion aus Stahlseilen und Rollen aufgebaut. „Man muss Vertrauen zu den sächsischen Bäumen haben“, scherzt einer der Männer, als sich 9.40 Uhr die Seile spannen. Während der Flaschenzug den Bug anhebt, wird die erste Achse abgebaut, und das Boot hängt nun teilweise in der Luft. Eine Holzrutsche führt in die Kirnitzsch, auf die sich der Kahn nun langsam herunter senkt. Es ist 10 Uhr, und eine erste Touristengruppe schaut der Aktion zu. „Wenn man Wandern, Kahnfahren und so ein Erlebnis miteinander verbinden kann, ist das doch prima“, freut sich eine Frau aus Meißen. Im Fernsehen hatte sie bereits von der Geschichte mit den zu schweren Booten gehört.
Währenddessen wird auch die zweite Achse entfernt, und das Boot wird an zwei Flaschenzügen die Rutsche hinuntergelassen. „Die Ente muss weg!“, ruft jemand, denn der Gerti getaufte Vogel ist näher am Stapellauf, als es ihm gut tun könnte. Als 10.38 Uhr der Kahn ins Wasser gleitet, schwimmt er auf Anhieb. „Das ist meiner“, ruft Bootsführer Ricco Peters. „Das soll die neue ,Sebnitz‘ werden.“
Mehr Tiefgang als die 1,5 Tonnen leichteren alten Kähne hat der neue nicht – dank Luftkammern. Nun scheint sicher: Die nächsten drei Kähne schaffen sie in den nächsten Tagen auch noch ins Wasser.