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„Sind die Bienen weg, verarmt die Natur“

Die EU hat ein Pestizid-Verbot erlassen. Ob das der Biene wirklich helfen kann? Die Imker sind skeptisch.

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Von Susanne Plecher

Die Substanzen klingen ziemlich fies: Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam. Wer sollte schon Lust auf diesen Cocktail haben? Die Bienen jedenfalls nicht, und das aus gutem Grund: Die Chemikalien, allesamt synthetische Insektizide, die unter dem nicht weniger zungenbrecherischen Begriff Neonikotinoide bekannt sind, rücken ihnen massiv zu Leibe. Die Industrie verwendet sie zur Behandlung von Saatgut wie Raps, Sonnenblumen, Mais. Einer Studie der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde zufolge sind die Pestizide für das Bienensterben verantwortlich, das seit Langem grassiert. Darauf hat die EU nun reagiert. 15 Mitgliedsstaaten haben für ein Verbot der drei Substanzen gestimmt. Ab 1. Dezember tritt es in Kraft, zwei Jahre soll es zunächst gelten.

Kann es ein friedlicheres Frühlingsbild geben als eine Honigbiene, die emsig Pollen sammelt? Es wird seltener, denn die Insekten sind ernsthaft bedroht.Fotos: Klaus-Dieter Brühl
Kann es ein friedlicheres Frühlingsbild geben als eine Honigbiene, die emsig Pollen sammelt? Es wird seltener, denn die Insekten sind ernsthaft bedroht.Fotos: Klaus-Dieter Brühl

Die heimischen Imker sehen das mit Freude. „Ich finde das gut“, meint Eberhard Leupold. Der Baßlitzer betreibt einen Bienenhof mit Heuhotel und Hofladen, und er sitzt dem Bienenzüchterverein Großenhain eV vor. 20 Imker sind darin organisiert. Sie alle treibt eine Frage um: „Wie kann ich meine Völker gesund erhalten?“ Die Biene, so Leupold, hat nicht nur eine Pest, sondern zwei. Die erste ist die Varoa-Milbe, die zweite sind die Neonikotinoide. Kommt beides zusammen, haben die fleißigen Insekten ganz schlechte Karten. „Die Milbe ist das kleinere Übel. Gegen die kann der Imker etwas unternehmen“, sagt Leupold. Aber im Kampf gegen die Pestizide sind ihm die Hände gebunden.

Die Wirkung der Schädlingsbekämpfungsmittel ist verheerend: Durch sie verliert die Biene ihren Orientierungssinn, ist geschwächt, verwirrt und findet in dem begrenzten Zeitfenster, das ihr zur Verfügung steht, nicht in ihren Stock zurück. Zwar stirbt sie nicht direkt an den Stoffen, aber an der Irritation, die sie auslösen. Und zwar irgendwo im Nirgendwo. Tote Bienen finden die Imker nur selten in ihren Bienenhäusern. Aber sie müssen immer häufiger feststellen, dass die Völker kleiner werden. Leupold schildert Beispiele von Imkerkollegen, die einen großen Teil ihrer Bienen verloren haben, nachdem die Wagen neben Sonnenblumen- oder Rapsfeldern aufgestellt waren. Die Tiere waren einfach weg, wie von Geisterhand. Andere Völker, die dieselben Kollegen in Wäldern oder in Obstplantagen positioniert hatten, blieben von dem rätselhaften Schwund verschont, waren gesund und vital. Trotz gleicher Behandlung. Diese Fälle nehmen zu. Der Baßlitzer selbst hat Winterverluste zu verzeichnen. Ein Fünftel seiner Bienen hat die kalte Jahreszeit nicht überstanden. Üblich ist ein Verlust von zehn Prozent.

Ob das Verbot der EU tatsächlich etwas ausrichten kann? Eberhard Leupold zuckt mit den Schultern. Und schildert ein weiteres Beispiel, eins aus Frankreich. Dort sei aus Untersuchungszwecken in einem Acker über einen mehrjährigen Zeitraum kein gebeiztes Saatgut in die Erde gekommen. Die Chemikalien hingegen waren über drei Jahre im Boden nachweisbar, gingen auch in die Folgekulturen über.

Im Fall des EU-Verbotes fürchtet Leupold einen Ausgang wie bei David gegen Goliath. Goliath ist in diesem Fall die Industrielobby. Er ist sich sicher, dass Chemieriesen wie Bayer juristisch dagegen vorgehen werden. Und spätestens dann, wenn Wissenschaftler die fatalen Auswirkungen der Substanzen nachgewiesen haben, neue Produkte anbieten. Mit ähnlichen Wirkungsweisen. „Ein Konsens muss her“, sagt er. „Wir müssen uns mit gegenseitigem Verständnis aufeinander zu bewegen.“

Verdammen will er die Landwirte keinesfalls. Er versteht ihre Nöte, kann die Beweggründe nachvollziehen. Saatgut zu beizen ist ein probates Mittel, Nutzpflanzen vor Schädlingen zu schützen, Erträge stabil zu halten. Aber vielleicht, so seine Hoffnung, ließe sich auf unkomplizierten Wegen schon etwas im Sinne der Bienen erreichen. Denn nicht nur behandeltes Saatgut fügt ihnen Schaden zu. Manchmal muss auch gegen Schädlinge gespritzt werden. „Da reicht ja schon ein Anruf und der Imker kann reagieren“, sagt Leupold. Das Pestizid, mit dem der Raps während seiner Blüte gegen Schädlinge behandelt werden muss, ist für die Biene nur solange schädlich, wie es feucht ist. Sind die Chemikalien auskristallisiert, kann sie wieder unbeschadet von einer sattgelben Blüte zur nächsten fliegen. Ein halber Tag reicht dafür aus.

Zwei Drittel ihrer Lebenszeit verbringt die Biene nur mit der Bestäubung. „Sind die Bienen weg, verarmt die Natur“, sagt Leupold. Und: Man müsse auch an die vielen Wildinsekten denken, die an den Neonikotinoiden zugrunde gehen. „Am Ende wird es so, dass wir mit dem Pinsel von einer Blüte zur nächsten laufen“, mahnt er. In China ist das in manchen Obstplantagen schon jetzt üblich.