Sachsens bester Skeletoni vermisst die Wertschätzung

Was für ein Heimspiel bei der Weltmeisterschaft in Altenberg: Drei Deutsche führen nach den ersten beiden Durchgängen der Skeleton-Entscheidung. Der Oberhofer Christopher Grotheer liegt mit neun Hundertstelsekunden Vorsprung vor Alexander Gassner aus Winterberg. Beide verbesserten im zweiten Lauf den drei Jahre alten Bahnrekord.
Und Axel Jungk vom BSC Sachsen Oberbärenburg, der nach dem ersten Lauf in Führung gelegen hat, ist Dritter. Die Entscheidung im Altenberger Eiskanal fällt heute ab 13 Uhr in zwei weiteren Läufen.
Umjubelt rauschen dann vor allem wieder die deutschen Piloten den Zielhang hinauf, allen voran Jungk. Besonders auffällig und nicht zu überhören ist sein Fanklub, wie in den vergangenen Jahren schon in orangefarbenen Shirts. Bereits am Donnerstag sorgen sie für den Unterschied, jedenfalls atmosphärisch. "Das bedeutet mit sehr viel, diese Heim-WM als Sportler erleben zu dürfen. In Altenberg zu fahren, ist noch was schöneres. Das ist meine Heimat", sagt der 28-Jährige.

Das Heimspiel mit seinen Fans genießt Jungk. Er reagiert strahlend und winkend auf die Sprechchöre, die nur ihm gelten. „Diese Stimmung ist megaschön“, sagt er lächelnd, um dann aber schnell ernst und grundsätzlich zu werden: „Es ist eine Frechheit vom internationalen Verband, die WM-Rennen im Skeleton Donnerstagfrüh auszutragen. Das ist ärgerlich und enttäuschend."
Da sei keine Wertschätzung zu spüren. Es habe nichts mit fairem Wettbewerb zwischen den Sparten Bob und Skeleton zu tun, wenn die einen am zuschauerträchtigen Wochenende aufs Eis dürfen, seine Sportart aber an einem Vormittag in der Woche. Am Donnerstag um 10 Uhr begann der erste Lauf.

Jungk spricht vor allem für seine Freunde, Fans und Familienmitglieder, die ihn unterstützen. „Es könnten Hunderte mehr an der Bahn sein, die gern hier stehen würden“, sagt er und weiß eben genau, unter welchen Zwängen sie stehen, wie rar deren Urlaubstage sind. „Die können sich eben nicht mal einen Tag freinehmen. Es wäre schön, wenn sich das in den nächsten Jahren ändern würde und der Fokus nicht nur auf den Bob-Rennen liegt.“
Heimvorteil hat er dennoch, er ist seine Bahn - die natürlich auch die anderen deutschen Skeletonis sehr gut kennen. "Das wird kein Selbstläufer, schon die interne Konkurrenz ist stark", meinte Jungk im Vorfeld, und er behielt recht. „Die beiden vorn sind fahrerisch auf einem anderen Niveau, mit ihrer Konstanz absolute Weltklasse“, sagt er nun nach den ersten zwei Läufen und macht dabei eine etwas süßsaure Miene. „Mir gelingt das nur ab und zu mal. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn ich zweimal gleich gut durch die Bahn gekommen wäre. So war es leider nicht.“
Kleinigkeiten sind es, erst recht in dieser auch für die Skeletonis so anspruchsvollen Bahn, die am Ende entscheiden über schnell und ganz schnell. „Bis zur Ausfahrt Kreisel war ich eigentlich zufrieden. Dort ist mir dann ein Dummheitsfehler passiert. Ich bin ein bisschen zu nachlässig aus dem Kreisel gefahren, wollte Speed mitnehmen, den Schlitten laufen lassen. Dabei fuhr ich ein, zwei Zentimeter zu nah an die Bande. Damit passten die Fahrlinie der nächsten Kurven nicht mehr", analysiert der gebürtige Zschopauer, der mittlerweile in Dresden zu Hause ist.

Jungk, unter anderem WM-Zweiter von 2017, weiß, dass sich Zeitpolster im Skeleton ganz schnell auflösen können. Aber er will seinen Rückstand auf die ersten beiden Plätze nicht schönreden: „Aus eigener Kraft wird es schwer, weiter nach vorn zu fahren.“ Kopfzerbrechen bereitet ihm noch die Kurve neun. Es ist die einzige, mit der Jungk die vergangenen Tage immer wieder aufs Neue haderte. „Die Bahn steht wunderbar. Dafür sprechen ja auch die Bahnrekorde. Aber ich komme mit dem Profil der neun einfach nicht zurecht", sagt er.
Auf Wettkampfreisen, in Trainingslagern und natürlich auch während der WM wohnt Sachsens bester Skeletoni mit Felix Keisinger in einem Zimmer, dem 22-jährigen Junioren-Weltmeister. "Axel ist in dieser Saison wie ein großer Bruder für mich geworden", sagt Keisinger, der eigentlich stets gute Laune hat und vielleicht auch deshalb so gut zum oft grüblerisch wirkenden Jungk passt.
Zusammen, das bestätigen beide, würden sie viel und oft über Skeleton reden, danach den Sport aber auch mal thematisch hinten an stellen und Schmarrn miteinander machen. So sagt das der Bayer Keisinger.

Mit Rang sechs und damit als Letzter der vier Deutschen wirkte das derzeit vielleicht größte Talent im deutschen Verband zumindest am Donnerstagmittag sichtlich traurig. Mit dem schnellen Eis kam Keisinger nicht zurecht, er hatte plötzlich andere Kurvenausfahrten als im Training, „und so passieren dann die Fehler“, erklärt er. Seinen Zimmerkollegen will er nun trotzdem aufbauen, als Stimmungsaufheller wirken. „Tipps für die Bahn brauche ich ihm nicht geben. Das weiß er besser“, erzählt Keisinger, mit dem Jungk auf einer Wellenlänge liegt.
Die deutsche Dominanz bei der WM kommt für Jungk allerdings etwas überraschend. Sie sei aber als Ergebnis guter Arbeit jedes Sportlers, jedes Teams zu erklären. Dabei feiert Grotheer gerade eine Art Auferstehung nach einem Abstieg in diesem Winter aus dem Weltcup in den zweitklassigen Intercontinentalcup. „Ab Mitte der Saison konnte ich mich mental auf die WM fokussieren“, sagt der bei Halbzeitführende, der davon profitierte, dass Keisinger die Junioren-WM gewann und sich damit direkt für die WM qualifiziert hat.
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