Von Annechristin Bonß
Anklagend ragt der Stumpf in die Höhe. Jeden, der von Süden aus nach Dresden kommt, begrüßt der klägliche Rest des einst stolzen Turms der Lukaskirche. Mahnend steht er da, als Zeichen, welche Schrecken der Krieg bringt. In den Bombennächten 1945 wurde der Turm zerstört, geblieben ist der Stumpf, der mit einem Notdach abgedeckt ist. Netze sichern lose Steine, damit diese nicht herunterfallen.
Mit diesem Zustand wollen sich die Mitglieder aus dem Förderverein Lukaskirche nicht abfinden. Jahrelang haben sie Spenden gesammelt. Nun sind sie ihrem Ziel einen großen Schritt nähergekommen. Eine Studie belegt, dass die alten Gemäuer einen neuen Turm tragen könnten. „Auf dieser Grundlage können wir nun endlich konkret planen und damit Fördermittel beantragen“, sagt der Vereins-Vorsitzende Jens Christian Giese.
Was diese Studie aber auch zeigt, sind die Kosten. Knapp 1,1 Millionen Euro muss der Verein zusammenbringen. Ein großes Vorhaben. Denn in den vergangenen zehn Jahren kamen erst 150 000 Euro zusammen. Hauptsächlich wurde das Geld bei Benefizkonzerten gesammelt. Die notwendige Planung kostet nun 60 000 Euro. Es fehlt also noch eine Million Euro. Eine hohe Summe. Trotzdem ist Jens Christian Giese optimistisch. So soll Geld aus einem Fonds fließen, von dem zuletzt auch die Martin-Luther-Kirche in der Neustadt profitiert hat. Für die Turmsanierung kamen 400 000 Euro der Gesamtsumme von über einer Million Euro aus dem Fond.
Dazu hofft der Vereinschef auf einen wahren Spendensturm. So soll zunächst die Turmspitze am Boden errichtet werden. „Wenn die Menschen sehen, dass es losgeht, spenden sie mehr“, sagt er. Positives Beispiel dafür sei die Gemeinde Neschwitz bei Bautzen. Dort habe es ähnlich schnell mit den Spenden für den neuen Kirchturm geklappt. Mit dem dortigen Förderverein tauschen sich die Dresdner aus. Auch als vor zwei Jahren eins der alten Zifferblätter der Lukaskirche geborgen, saniert und aufgestellt wurde, haben viele Menschen gespendet.
Dabei wollen die Helfer von der Bekanntheit der Kirche profitieren. Nicht nur den Anwohnern ist die ans Herz gewachsen. Auch viele Dresdner kennen sie. Zwar steht das Gotteshaus im Dresdner Süden und die Kirchgemeinde zieht hauptsächlich Mitglieder aus der Umgebung an. Bekannt ist der Bau wegen seiner besonderen Akustik. Radiokirche wurde der Bau bis zur Wende genannt, weil hier viele Konzerte für Übertragungen im Radio aufgenommen wurden. Diesen Vorteil schätzen Musiker noch heute. Viele Konzerte, auch moderner Art oder vorgetragen von bekannten Popgruppen, finden hier statt.
Start für die Sanierung könnte schon in den kommenden drei Jahren sein. Unabhängig vom Turmbau muss die Kirchgemeinde ihr Gebäude sanieren. Die Landeskirche würde finanziell helfen. Auf der Förderliste stehen die Südvorstädter wohl weit oben. Ein gutes Zeichen, damit es bald losgehen könnte. Das dafür notwendige Gerüst an der Kirchfassade wollen die Turmfreunde nutzen und ein eigenes daraufstellen. So könnten Kosten gespart werden. Bis dahin muss aber der erste große Teil an Spenden und Fördermitteln zusammen sein, rechnet der Vorsitzende vor.
Ist das Vorhaben erfüllt, hat die Kirche nicht nur ihren Turm wieder. Den Dresdnern bietet sich dann ein neuer Blick auf ihre Stadt. Für Führungen könnte der Turm geöffnet werden. Eine schmale Treppe würde hinaufführen. Doch trotz der vielen Zustimmung und positiver Nachrichten aus der Studie gibt es auch andere Meinungen. Die Skepsis ist groß, ob die Spendensumme zusammenkommt.
„Der Turm sollte so erhalten bleiben, als Mahnmal gegen den Krieg“, sagt Erik Zimmermann, SPD-Ortsbeirat in Plauen. Er weiß, dass er mit dieser Meinung wohl zur Minderheit gehört. Dennoch sollte darüber diskutiert werden, sagt er. „Wir müssen eine Balance schaffen zwischen der Vergangenheit und dem neuen Turm“, sagt Jens Christian Giese. Hoffentlich können die Mitglieder damit bald anfangen.
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