So lebt es sich im Mini-Haus

Zwei Einbauschränke, eine Küchenzeile, eine Mini-Nasszelle, ein Sessel, ein Schreibtisch und ein Bett. Das war's. Geht es nach dem neuen Wohntrend der mobilen Minihäuser, reicht das zum Leben. Ein solches Häuschen kann man derzeit an der Sparkassenfiliale in Neugersdorf begutachten. Die LBS, das Bausparunternehmen der Sparkasse, ist zurzeit auf Tour mit einem sogenannten Tiny-Haus, das nur 6,4 Quadratmeter Wohnraum hat.
Der Begriff Tiny House kommt ursprünglich aus den USA. Eine eindeutige wörtliche Übersetzung gibt es offenbar nicht. „Winziges Haus“ trifft es wohl am Besten. Bereits in den 1920er Jahren tüftelten Erfinder an den ersten Modellen. Die Immobilienwirtschaft feiert die Minihäuser derzeit als Trend und Wohnform der Zukunft - auch aufgrund ihrer Mobiliät. Denn so ein Haus kann mit umziehen. Aber leben auf reichlich sechs Quadratmetern - geht das denn? Die SZ hat das Mini-Haus in Neugersdorf unter die Lupe genommen.
Dass hier alles knapp bemessen ist, wird schon am Eingang deutlich. Wer größer ist, als 1,80 Meter, muss den Kopf einziehen, um ohne Beulen durch die Türe zu kommen. Drinnen wird die Decke höher, aber es geht schmal weiter. Rechts ist die kleine Küchenzeile mit Platz für ein Spülbecken und eine Kaffeemaschine. Links geht's ins Bad. Im Modell-Häuschen der LBS ist keine Nasszelle eingebaut. Deswegen ist ein echter Praxistest, wie es sich in so einem Haus lebt, auch nicht möglich. Stattdessen steht ein Kühlschrank in dem Raum, der als Sanitärbereich vorgesehen ist. Er passt genau hinein, breiter ist die Dusch- und Toilettenzelle nicht.
Drinnen wie draußen dominiert Holz. Das Haus wurde von einer Tischlerei angefertigt. Hinter Küche und Nasszelle wird der Raum etwas breiter. Ja, der Ausdruck in der Einzahl ist schon richtig. Es gibt nur einen kleinen Raum, auf dem sich alles abspielen soll: wohnen, essen, arbeiten. Dafür gibt es eine zweite Tür, die in den "Garten" führt. In diesem Fall ist es das Außengelände der Sparkasse. Nur geschlafen wird eine Etage höher. Eine Empore über dem Wohnraum und unter dem Spitzdach des mobilen Hauses dient als Koje. Hinauf geht's über eine Hühnerleiter und oben heißt es: Kopf einziehen. Gemütlich ist es allemal.
So sieht's aus im Minihaus
Beschwingt fliegt bei der Besichtigungstour die Haustüre auf. Eine ältere Dame betritt das Häuschen - und stutzt erst mal. Fünf Leute stehen schon drin im Haus. "Ist ja wirklich eng. Pass' ich da noch rein?" Sie passt. Und sogar der Ehegatte, der noch hinterherkommt. Als er aber einen Wandschrank öffnen will, um mal hineinzulugen, muss ein anderer Besucher zur Seite treten. Kaum vorstellbar, dass hier auch noch ein Kamin Platz haben soll. Aber: "Auch diese Variante gibt es", bestätigt Bettina Richter Kästner, Pressesprecherin der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien.
Das Ehepaar ist trotzdem erstaunt, was man so alles unterbekommt auf dem kleinen Raum. "Mutti, schau' dir das mal an", hat die Tochter des Paares gesagt. Mutti führt den Auftrag gerne aus und besichtigt das Minihaus. "Meine Tochter ist ganz begeistert von so etwas. Sie hat es im Fernsehen gesehen und gemeint: Das wär' was für mich." Die Tochter wohnt in München, die Mieten sind dort horrend. "Sie würde gerne raus aus der Stadt, sich so ein kleines Häuschen irgendwo im Grünen hinstellen", erzählt die Mutter.
So einfach ist das dann doch nicht. Ein eigenes Grundstück oder ein gemietetes braucht man in jedem Fall. Einfach irgendwo hinstellen kann man das Haus nicht, so Pressesprecherin Bettina Richter-Kästner. Diese Variante hier ist fest auf einem Anhänger montiert und kann mithilfe einer Anhängerkupplung an ein Auto oder einen Transporter gekoppelt werden. Das ganze Gefährt braucht dann eine Zulassung von der Straßenverkehrsbehörde. Ein Wohnwagen deluxe sozusagen. Deshalb hat das Haus auch die maximale Höhe und Breite, die zulässig ist, damit es auf die Straße passt. Lediglich in der Länge wäre noch Spielraum. Es gibt aber auch feststehende Mini-Häuser ohne fahrbaren Untersatz. Sie müssen mit einem Kran aufs Grundstück gesetzt werden. Dafür ist neben einem Grundstück auch eine Baugenehmigung von der jeweiligen Gemeinde notwendig, es wird behandelt, wie ein "richtiges" Haus.
Strom und Heizung kommen beim vorgestellten Mobilhaus aus der Steckdose. Dazu muss das Haus per Kabel extern an eine Stromversorgung angeschlossen werden. Die Sparkassenmitarbeiter haben ein Kabel rüber in die Filiale gezogen. Die Versorgung mit Wasser und Abwasser läuft über elektrische Pumpen mit angeschlossenen Kanistern. Als Klo müsste man eine Campingtoilette nutzen. Heißt: regelmäßig Behälter leeren.
"Und wo sollen die ganzen Sachen hin?", fragt die Dame, die das Minihaus für ihre Tochter besichtigt, ratlos. Nun ja, ein paar Schränke mehr ließen sich schon einbauen, bestätigt die Sparkassenmitarbeiterin. Schließlich ist das hier nur ein Musterhaus und alles individuell gestaltbar - zum entsprechenden Preis. Und bei dem muss die interessierte Dame dann doch schlucken. Los geht's ab 10.000 Euro für ein Minihaus. Grenze nach oben: offen. Eine Variante, wie sie derzeit in Neugersdorf steht, kostet schon 30.000 bis 40.000 Euro. Trotzdem: eine Alternative zur Stadtwohnung in München wär's schon, findet die Frau.
Bettina Richter-Kästner bestätigt, dass der Tiny-Haus-Trend bisher eher in den größeren Städten angekommen ist. "Hier in der Region wäre es vielleicht was für Studenten", sagt die Sparkassen-Sprecherin. Einen mobilen Wohnpark, wo junge Leute so ein Haus mieten können, könnte sie sich vorstellen. Tatsächlich will die Sparkasse mit ihrer Minihaus-Aktion in erster Linie Wohneigentum im Allgemeinen thematisieren. Denn der Trend gehe eindeutig dahin, dass Leute lieber ein eigenes Haus oder eine Wohnung besitzen - egal in welcher Größe. Denn eine Immobilie taugt gut als Altersvorsorge. Ist sie im Rentenalter abbezahlt, lebt man mietfrei und es bleibt mehr von der Rente übrig.
Immer mehr Interessierte versammeln sich in und ums Minihaus. Eins ist klar: Es erregt Aufsehen und weckt Neugier. "Guck mal Oma, ein Tiny-Haus", ruft eine etwa Vierjährige, die mit ihrer Großmutter vorbei läuft. "Das kann man hinten an ein Auto dranhängen und losfahren. Cool, oder?", erklärt die Kleine ihrer Oma. Die Oma guckt ein bisschen irritiert. Drinnen diskutieren Neugierige, wie man das Haus nutzen könnte. Als Hauptwohnung scheint es tatsächlich keinem so richtig zu taugen - obwohl sich alle positiv überrascht zeigen vom kleinen Raumwunder. Die meisten können es sich eher auf einem Campingplatz oder Gartengrundstück vorstellen. "Man kann es ja auch als Gästehaus aufs Grundstück stellen." - Das wäre dann schon wieder Luxus. Lässt es sich also nun auf dem kleinen Raum gut leben? Das Fazit der Besucher und der SZ-Besichtigungstour: Geht schon, aber lieber als Gartenhaus oder Urlaubsquartier.
Die Sparkasse hat zu ihrer Tiny-Haus-Aktion einen Blog im Internet. Noch bis 21. August steht das Mini-Haus in Neugersdorf an der Filiale.
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