So lief der Grenz-Protest in Görlitz und Zgorzelec

Um sieben ist die Stadtbrücke voll, voller Menschen. Ein Anblick, wie es ihn in den vergangenen Wochen nicht gab. Entspannt schlendern Leute aller Altersgruppen aus Görlitz Richtung Zgorzelec, ganz so, als ob die Grenze offen ist. Die deutsche Landespolizei hat etwa in Höhe der Stadthalle einen Einsatzwagen quergestellt und die Brücke damit für Fahrzeuge blockiert. Fußgänger dürfen durch, ohne Beanstandungen.
Viel weiter als zum Ende der Brücke kommen sie aber nicht. Hier gibt es eine Art "Niemandsland", ein paar Meter nur, das die Europastadt trennt. Es sind inzwischen Hunderte, die sich zum Protest gegen die geschlossene Grenze versammelt haben. In Zgorzelec sind es deutlich mehr, die ein Zeichen setzen wollen. Ein Spaziergang, so wie es angekündigt war, ist das Ganze definitiv nicht mehr, eher eine klare Demonstration.
Sprechchöre über die Grenze hinweg

Auf deutscher Seite sind es vor allem Polen, die hier arbeiten und leben, die sich am Protest beteiligen. "Sind Sie von der Zeitung?", fragt eine junge Frau. Sie trägt einen Mundschutz in den polnischen Nationalfarben. "Schreiben Sie mal auf: Ich wollte Medikamente zu meinen Verwandten über die Grenze geben. Das wurde mir verboten", erzählt sie. Das Problem sei nicht der deutsche Grenzschutz gewesen, sondern der polnische. Dann läuft sie ein paar Meter weiter nach vorn Richtung Zgorzelec. "Drüben" wird gerade ein Sprechchor angestimmt: "Öffnet die Grenzen". Auf deutscher Seite wird der aufgenommen.
Es sind vor allem die Pendler, die sich gegen die geschlossene Grenze wehren. "Einfach nur eine Katastrophe", sagt Tomasz. Er lebt und arbeitet in Deutschland, würde aber gern mal wieder zu den Eltern nach Polen reisen. Dann müsste er aber zwei Wochen in Quarantäne. "Das geht einfach nicht. Ich bin doch gesund", sagt Tomasz.
Polnische Polizei bildet Absperrkette

Inzwischen werden Flaggen geschwenkt, die polnische, je eine in Zgorzelec und in Görlitz. Transparente werden ausgerollt, junge Männer haben sich Zettel auf ihre Rucksäcke geklebt: "Lasst uns zur Arbeit. Lasst uns nach Hause" steht darauf. Auf dem Görlitzer Brückenteil wird "Freude schöner Götterfunken" angestimmt, auf Polnisch. Dafür gibt es Beifall von beiden Seiten der Grenze.
Die wenigen Meter "Niemandsland" werden inzwischen immer weniger. Die polnische Polizei bildet inzwischen eine Kette quer über die Straße. Es ist eine merkwürdige Atmosphäre an diesem lauen Freitagabend auf der Stadtbrücke. Einerseits ist die Stimmung entspannt, man ruft sich Namen über die Grenze zu, winkt, telefoniert. Andererseits ist da die geschlossene Grenze, mit all den Konsequenzen, die damit verbunden sind und der Protest dagegen.
Unternehmerverband macht sich für Öffnung stark
Inzwischen macht sich unter anderem der Unternehmerverband Niederschlesien für eine Lockerung der rigiden Schließung stark. Vorsitzender Roland Jäkel hat Kontakt mit der sächsischen Staatsregierung aufgenommen und um eine Lösung für das Pendlerproblem gebeten. Bisher, musste er erfahren, lenke aber die polnische Seite nicht ein. Deshalb stellt der Unternehmerverband derzeit eine Liste der betroffenen Unternehmen und der Zahl der betroffenen Mitarbeiter. Damit soll das Problem verdeutlicht werden. Das gilt sowohl für Unternehmen mit polnischen als auch tschechischen Mitarbeitern.
Protest geht friedlich zu Ende

Dabei hat die tschechische Regierung Ausgangsbeschränkungen aufgehoben. Ein Gericht erklärte die Maßnahmen aus formalen Gründen für rechtswidrig. Damit wird das Leben der Pendler nicht mehr ganz so kompliziert: Wer in Deutschland oder Österreich arbeitet, kann täglich die Grenze überqueren. Aber: Alle zwei Wochen steht ein Corona-Test an. Welche Auswirkungen das hat, weiß Sabine Herrmann von der Firma Tempton Personaldienstleistungen in Bautzen. Einer ihrer Mitarbeiter aus Liberec reist jetzt nach Prag um einen Corona-Test machen zu lassen, Kosten 130 Euro. Ist das Ergebnis negativ darf er ab Mittwoch wieder pendeln.
Der Protest auf der Stadtbrücke in Görlitz und Zgorzelec neigt sich inzwischen dem Ende zu. Eine knappe halbe Stunde lang hat er gedauert. Alles ist friedlich geblieben. Die Polizei beider Länder hatte keinen Grund einzugreifen. Ob es eine Fortsetzung geben wird, ist derzeit offen. Organisiert wird das Ganze "von unten", in den sozialen Netzwerken.
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