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So reizt man den Skat-Meister

Bretnig-Hauswalde. Der beste Spieler der Republik kommt aus dem Rödertal. Warum Mario Gäbler sich trotz Triumph einfach nicht freuen kann.

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Von Doreen Hübler

Einen prominenten Platz hat er ja, der riesige goldene Meisterschafts-Pokal. Oder besser gesagt, „die blöde Schüssel“, wie Besitzer Mario Gäbler ihn bösartig nennt. Auf dem großen Schrank im Wohnzimmer steht er. Da, wo ihn jeder Besucher bewundern kann. Mario Gäbler würde den Pokal allerdings am liebsten unsichtbar machen. Der Mann mit Titel, Schnauzbart und krisseliger Lockenmatte redet nur ungern über den Tag seines Triumphes. Nicht, weil er bescheiden oder schüchtern ist. Nein, weil Mario Gäbler schlicht und ergreifend enttäuscht ist.

Etliche Qualifikationsrunden hat der amtierende deutsche Skat-Meister in den vergangenen Monaten bestritten, unzählige Punkte für die Fahrt zum Endausscheid nach Hamburg gesammelt und in der Hansestadt schließlich zwei Tage lang alles gegeben. Nun, zwei Wochen später, sitzt er in seiner Wohnung in Bretnig-Hauswalde und resümiert: „Außer Spesen nix gewesen.“ Einen feuchten Händedruck habe es gegeben, eine vergoldete Anstecknadel und besagte „blöde Schüssel. Keinen Sachpreis und auch keine Siegerprämie. „Das ist eigentlich eine Frechheit“, sagt der 43-Jährige. „Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich gar nicht gefahren.“

Grips, Gefühl und Glück

Seit über 20 Jahren spielt Gäbler Skat. 1991 trat er dem Ostsachsenbuben Neustadt bei, acht Mal wurde er hier zum Clubmeister gekürt. Der Champion ist sicher, um ein perfektes Spiel hinzulegen, brauche man einen gewissen Intelligenzquotienten, ein gutes Gefühl für die Karten und Glück – natürlich. Jener unberechenbare Faktor kam ihm auch in Hamburg zugute. Zumindest bei den acht Mal 48 Spielen am Tisch. „Meine Karten waren eigentlich nur durchschnittlich“, sagt er. „Die anderen haben aber einfach zu schlecht gespielt, sie haben den miesen Kartenstand nicht ausgenutzt.“ Erst im 22. Spiel konnte der Bretniger einsteigen. „Da habe ich jemanden weggereizt“, erzählt Gäbler. Der Rest ist Geschichte.

Insgesamt 271 Konkurrenten hat Gäbler in seiner Altersklasse aus dem Rennen gekippt. Zwei Tage lang schaute er nur auf Bube, Dame, König, As. Keine einzige Minute hat er an jenem Wochenende geschlafen. Nach Hamburg kommt man schließlich nicht alle Tage. Die wenigen Stunden zwischen erstem und zweitem Turniertag verschlug es Gäbler zur wohl imposantesten Sehenswürdigkeit an der Nordseeküste – auf die Reeperbahn. Und, wenn man schon einmal im Rotlichtviertel ist, kann man dies ja mit einem Abstecher ins Casino verbinden. Ein Spieler bleibt eben ein Spieler. Die nächtlichen Strapazen steckt Gäbler locker weg, als ehemaliger Taxifahrer ist man einiges gewöhnt. Eine Regel sei jedoch wichtig: keinen Tropfen Alkohol, vor allem nicht am Spieltisch. Und so musste Gäbler den Moment des Sieges wohl oder übel nüchtern ertragen. Im ersten Moment habe er sich gefreut, sagt er.

Als die Zeremonie jedoch mit einem freundlichen Glückwunsch beendet war, sei auch der Glückstaumel abgeflaut. Gäbler ist arbeitslos, hat mit einer vierstelligen Prämie gerechnet. „Ich habe so viel investiert in die Reisen zu den Punktspielen“, sagt er. Etwa 2 000 Euro, hat er ausgerechnet, stünden inzwischen auf seinem Spesenkonto. „Von dem Geld hätte ich locker mit meiner Familie in den Urlaub fahren können.“ Immerhin: Seinen beiden Mädels zu Hause ist die wirtschaftliche Bilanz egal. Hauptsache zwischen Frau und Tochter sitzt endlich ein echter deutscher Meister.

Wer soll das alles bezahlen?

Die zahlreichen Fotos von der Siegerehrung hat sich Mario Gäbler noch gar nicht angeschaut, ist doch alles irgendwie egal. Nachdem er schließlich doch durch das virtuelle Album blättert, zieht endlich ein Hauch von Lächeln über sein Gesicht. Wie viele Konkurrenten waren es noch einmal? Und er – Mario Gäbler aus Bretnig-Hauswalde – soll der beste deutsche Skatspieler des Jahres 2006 sein? „Na ja, ein bisschen stolz bin ich schon“, sagt er, fügt aber sogleich ein großes „Aber“ hinzu. Die Skatbrüder aus den befreundeten Vereinen seien natürlich auch stolz auf ihren Mario und wollen den Triumph zünftig begießen. „Was das alles wieder kostet“, sagt Gäbler und schüttelt den Kopf. Für die Meisterschaft im nächsten Jahr hat er sich automatisch qualifiziert.

Teilnehmen wird der Meister auf jeden Fall, um den Sieg wird er sich aber nicht bemühen. Wer soll das denn bezahlen?