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So sollen Firmen leichter Ausländer anwerben können

Ab März wirkt das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz. Firmen sollen so leichter Ausländer anwerben können. Doch es gibt auch neue Hürden.

Von Georg Moeritz
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© Julian Stratenschulte/dpa (Symbolbild)

Dresden. Kommen nach den Polen und Tschechen künftig Weißrussen und Inder zum Arbeiten nach Sachsen? Das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz macht das ab März leichter. Es erfüllt einen Teil der Wünsche von Arbeitgebern, die Fachkräfte außerhalb der Europäischen Union suchen. Aber selbst das neue „beschleunigte Verfahren“ dauert mindestens fünf Monate, steht auf einem Informationsblatt des sächsischen Innenministeriums. Sächsische.de analysiert die Folgen der neuen Regeln.

Zugleich Erwerbslose und Fachkräftemangel

In zehn Jahren werden in Sachsen etwa 300.000 Menschen weniger arbeiten als jetzt, wenn es keinen Zuzug gibt. Denn jedes Jahr gehen mehr Menschen in Rente, als mit der Schule fertig werden. Also fehlen Fachkräfte – und ihre Zahlungen ins Sozialsystem. Laut Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) ist die Lücke nicht mit eigenen Auszubildenden, Arbeitslosen und Rückkehrern zu schließen. Der Nürnberger Arbeitsmarktforscher Professor Herbert Brücker sagt, ohne Zuwanderung würde Deutschland ärmer: „Die Verteilungskonflikte würden erheblich zunehmen.“

Schon jetzt suchen viele Betriebe in Sachsen händeringend Fachkräfte, sagt Reinhilde Willems, Geschäftsführerin in der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit. Zwar sind nach jüngsten Zahlen 119.750 Sachsen arbeitslos gemeldet und weitere 46.000 wegen Umschulungen, Krankheit oder Ein-Euro-Jobs nur zeitweise nicht mitgezählt. Doch allein im Februar haben mehr als 9.000 Arbeitslose eine Stelle gefunden. Mehr als 37.000 freie Stellen stehen in den Karteien der sächsischen Arbeitsagenturen, viele können seit Monaten nicht passend besetzt werden. Allein im Verarbeitenden Gewerbe sind gut 4.200 Stellen frei, 3.700 im Gesundheits- und Sozialwesen und 2.500 auf dem Bau.

Anwerbung von Facharbeitern wird einfacher

Was für Hochschulabsolventen schon galt, wird jetzt auch für Menschen mit einer beruflichen Ausbildung möglich: Sie dürfen in Deutschland Arbeit suchen, auch wenn sie von außerhalb der EU kommen. Betriebe in Sachsen dürfen auch Arbeitsverträge mit Bewerbern in Übersee schließen, und die sollen dann bei der deutschen Botschaft schneller als bisher ein Visum erhalten. Noch kann das zum Beispiel in Indien ein Jahr dauern, doch die Botschaften sollen mehr Personal bekommen.

Bisher wurden Deutsche und EU-Bürger bei der Arbeitserlaubnis bevorzugt. Die Ausländerbehörden konnten Firmen in Döbeln oder Weißwasser verbieten, zum Beispiel einen Bewerber aus der Ukraine oder Indonesien einzustellen, wenn es für dieselbe Stelle noch freie Fachkräfte aus Italien oder Bulgarien gab. Diese „Vorrangprüfung“ fällt ab sofort weg. Sie kann aber wieder eingeführt werden, wenn der Arbeitsmarkt sich wieder verschlechtert.

Abgeschafft werden ab März auch die Listen mit Engpassberufen, an denen sich die Behörden bei der Arbeitserlaubnis orientieren mussten. Darauf standen zum Beispiel Altenpfleger, Klempner, Maurer und seit vorigem Herbst auch Berufe im Metallbau. Im Gartenbau oder in der Steuerberatung dagegen standen nur Führungskräfte auf der Engpassliste. Fachkräfte mit normaler Ausbildung in solchen Berufen von außerhalb der EU hatten von vornherein wenig Chancen auf eine Arbeitserlaubnis. Jetzt werden alle Berufe gleichgestellt.

© SZ Grafik

Bewerber müssen im Ausland Deutsch lernen

Neu ist, dass Fachkräfte bereits im Ausland Deutsch lernen und dafür zusätzliche Zertifikate vorweisen müssen. Für manche bedeutet das, erst einmal in die Hauptstadt ihres Heimatlandes umzuziehen und dort beim Goethe-Institut Kurse zu belegen. Forscher Brücker sieht darin eine zusätzliche Hürde statt Erleichterung. Das vorgeschriebene Sprachniveau ist laut Pressesprecher Lars Fiehler von der Industrie- und Handelskammer Dresden (IHK) je nach Art der Bewerbung unterschiedlich und gilt nicht für das beschleunigte Verfahren. Wer sich für eine Ausbildung in Deutschland bewerbe, brauche die nötigen Sprachkenntnisse für den Unterricht in der Berufsschule.

Die Ausländerbehörden verlangen für das beschleunigte Fachkräfteverfahren vorab 411 Euro Gebühr pro Person. Das Geld wird nicht zurückerstattet, auch wenn das Verfahren scheitert. Dieser Posten ist allerdings klein verglichen mit den Ausgaben für Sprachkurs, Umzug, Übersetzen und Anerkennung der Papiere. Da können einige Tausend Euro zusammenkommen, das war allerdings bisher auch schon so. Das Visum kostet 75 Euro.

Ausländische Ausbildung wird kaum anerkannt

Die größte Hürde wird durch das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz nicht beseitigt: Eine Ausbildung im Ausland wird in Deutschland fast nie anerkannt, bestenfalls Teile davon. Denn die deutsche Ausbildung nach genauen Plänen über zwei bis dreieinhalb Jahre gibt es in dieser Art fast nirgendwo. Das bekamen beispielsweise Pflegekräfte aus Mexiko zu spüren, die in den vergangenen Jahren zur Arbeit in Pflegeheimen der Azurit-Gruppe nach Riesa und in andere Städte kamen. Ihre Ausbildung aus Mexiko enthielt beispielsweise verglichen mit dem deutschen Lehrplan zu wenige Kenntnisse in Psychiatrie. Sie mussten 450 Stunden nachlernen und galten während dieser „Anpassungsqualifizierung“ nur als Pflegehelfer statt als Fachkraft.

Laut IHK-Sprecher Fiehler ist die „Anerkennungshürde gewaltig“. Zwar schickt die Dresdner Kammer die Zeugnisse der ausländischen Bewerber an eine zentrale Stelle in Nürnberg, wo Fachleute mit Sprach- und Landeskenntnissen sitzen. Doch die stellt in der Regel fest, dass noch Kenntnisse fehlen. Die Bewerber müssen dann innerhalb von zwei Jahren nachgeschult werden, die Arbeitgeber verpflichten sich dazu. Nach zwei Jahren droht also ein Ende der Arbeitserlaubnis, wenn die formalen Vorgaben nicht erreicht werden.

Ausländer sollen Einheimische nicht unterbieten

Die erhofften Fachkräfte aus dem Ausland sollen den Wohlstand in Deutschland sichern helfen und nicht etwa Löhne drücken. Laut Innenministerium werden die Arbeitsbedingungen der Zuwanderer geprüft, um angemessene Bezahlung sicherzustellen und „Lohndumping zu verhindern“. Die Arbeitsagenturen sollen Arbeits- und Urlaubszeiten und die Bezahlung prüfen. Die Arbeitsbedingungen müssen den tariflichen oder regional üblichen entsprechen. Kay Tröger, Koordinator des IQ-Netzwerks Sachsen zur Verbesserung der Integration, hält Versuche der Arbeitgeber zum Lohndumping für wenig aussichtsreich: „Für ein Zugticket woandershin reicht das Geld immer, dann sind die Fachkräfte ganz schnell in Köln oder Frankfurt.“

Neues Gesetz alleine bringt Sachsen kaum Fachkräfte

In Sachsen sind ausländische Fachkräfte seltener als anderswo: 85.000 Menschen aus anderen Staaten sind hier sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das sind 5,3 Prozent, dagegen rund 15 Prozent in Bayern oder Hessen. Die Bundesregierung rechnet mit 25.000 ausländischen Beschäftigten pro Jahr für ganz Deutschland durch das neue Gesetz. IHK-Sprecher Fiehler sagt, das mache für Sachsen nach den bisherigen Erfahrungen über die Verteilung vielleicht 400 aus. Die Arbeitsagenturen betonen, dass Deutschland im Wettbewerb mitanderen Einwanderungsländern steht – und Sachsen im Wettbewerb mit anderen Bundesländern. Der große Arbeitgeber Diakonie schreibt, ob Ausländer kämen, hänge von der „Willkommenskultur“ ab. In Ballungsgebieten gehe es um die Beschaffung von Wohnungen, in ländlichen Gebieten mehr um die interkulturelle Öffnung.

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