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So viele Imker - an den falschen Stellen

In Sachsen gibt es immer mehr Honigbienen. Warum das auf dem Land nicht möglich ist.

Von Marvin Graewert
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80 Prozent der heimischen Nutz- und Wildpflanzen sind auf Bienen als Bestäuber angewiesen.
80 Prozent der heimischen Nutz- und Wildpflanzen sind auf Bienen als Bestäuber angewiesen. © picture alliance/Christian Handl

Es klingt paradox: Überall ist vom großen Bienensterben zu lesen, dabei braucht sich Sachsen keine Sorge zu machen, bald keinen Honig mehr auf dem Brot zu haben. Zwischen 2010 und 2018 sind die Völker der Honigbienen von 35.000 auf 55.500 angestiegen. Dagegen steht die Wildbiene, die selbst einen geeigneten Nistplatz finden und bauen muss und schon deshalb besonders anfällig für Umweltveränderungen ist. Viele Arten sind sogar vom Aussterben bedroht.

Um den Stock der Honigbiene kümmert sich hingegen der Imker und davon gibt es in Sachsen immer mehr: Seit 2010 ist die Zahl der Bienenzüchter um über 50 Prozent angestiegen und lag 2018 fast bei 7.000. Für die meisten neuen Imker ist es mehr Hobby als Beruf und ihre Bienenkästen stehen auf städtischen Dachterrassen, statt auf ländlichen Obstwiesen. Bei wem die Kästen letztendlich vom Balkon hängen, lässt sich immer schlechter sagen, da die Organisationsstruktur der Imkerverbände stetig abnimmt.

Denn um als Imker zu gelten braucht es keinen Verband. Wer die Rechtssprechung und Krankheiten kennt, kann sich beim Tier- und Veterinäramt anmelden. „Das sind die Mindestvoraussetzungen“, betont Michael Hardt, Vorsitzender des Sächsischen Imkerverbandes. „Optimal wäre es, wenn man die Völker so führt, dass es die Nachbarn nicht belästigt: Sprich Schwärme vermieden werden.“ Das lässt sich zwar auch im Internet lernen, doch manchmal fehle trotzdem die Sachkunde.

In der Stadt geht es Bienen besser

Immerhin gibt es in den Städten wieder mehr davon, während die Imkervereine auf dem Land schwächeln oder sogar ganz aussterben. Da die Landbevölkerung stetig abnimmt – eine logische Entwicklung. Dass es so rasant geht, liege am fehlenden Nahrungsangebot für die Bienen: „Durch die intensive Landwirtschaft ist es auf dem Land schon rum, sobald die Frühjahrsblüte – sprich Obstblüte und Rapsblüte – nicht mehr blüht, während es in den Städten ein ganzjähriges Nahrungsangebot gibt“, bedauert Hardt. Bei blühenden Bäumen, Parklagen, Sträuchern und Kleingärten, die immer umweltfreundlicher bestellt werden, findet sich das ganze Jahr etwas Nahrung. Das geht sogar so weit, dass Hardt von einem Kollegen berichten kann, der sich einen Hof auf dem Land gekauft hat, mit seinen Bienen aber zurück nach Leipzig ist. „Wenn du schon ab Juli zufüttern musst, macht es einfach keinen Sinn.“

Punktuell sei im urbanen Sachsen sogar schon ein Limit erreicht, gleichzeitig gebe es aber immer noch Nischen, wo bereits in den Sommermonaten die Nahrung knapp werde. Dagegen helfen begrünte Verkehrsinseln, Parkanlagen, Straßen- und Waldränder. Damit sich die Situation auch auf dem Land verbessert, muss sich die Bestäubungszusammenarbeit zwischen Imkern und Landwirten weiter verbessern. Der Freistaat unterstützt diesen Prozess durch gemeinsame Workshops, und tatsächlich hat es sich so weit verbessert, dass Hardt nur noch von Einzelfällen berichten kann, wo die Gesprächsbereitschaft fehlt – auf beiden Seiten. Auf Verbandsebene sei diese Gesprächsbereitschaft immerhin da.

Schlusslicht beim Honigpreis

„Allerdings kann jeder etwas zur Artenvielfalt beitragen, nicht nur die Landwirtschaft. Am einfachsten mit einem verwilderten Rasen, statt einem Kiesweg.“ Das hilft vor allem den Wildbienen, die eigentlich gemeint sind, wenn übers Bienensterben gesprochen wird. „Auf den Rückgang an Wildbienen haben wir mit der Honigbienenhaltung gar keinen direkten Einfluss“, erklärt Hardt, der die fehlenden Nistplatz- und Nahrungsmöglichkeiten als Problem identifiziert. 

Mit ihrer letzten Ernte könnten sich die Sächsischen Imker durchaus sehen lassen und haben laut einer Umfrage des Fachzentrums für Bienen und Imkerei eine durchschnittliche Frühtrachternte von 22 Kilo pro Volk erbracht. In Baden-Württemberg lag dieser Wert bei nur bei vier Kilo, weil über 60 Prozent der Imkereien dort gar keine Ernte erbracht haben. In Sachsen war das nur bei fünf Prozent der Fall. „In Süddeutschland lag das vor allem an den ungünstigen Wetterbedingungen“, erklärt Hardt. „Während wir im letzten Jahr mit dem Wetter Glück hatten.“ Dafür bildet Sachsen beim Honigpreis das Schlusslicht. Ein 500 Gramm-Glas kostet durchschnittlich 4,70 Euro.