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So wahrscheinlich ist Ramelows Wahl diesmal

Die CDU will Linken-Politiker Bodo Ramelow nicht als Ministerpräsidenten mitwählen. Die AfD stellt Björn Höcke auf. Eine Analyse.

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Blick auf den Land in Erfurt.
Blick auf den Land in Erfurt. © Martin Schutt/dpa

Von Eike Kellermann

Bodo Ramelow wählen, aber nicht mit Ja stimmen. Das ist die paradoxe Aufgabe, die am Mittwoch vor der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag steht. Dann stellt sich der vormalige Ministerpräsident, Deutschlands einziger von der Linkspartei, erneut zur Wahl. Am 5. Februar hatte er überraschend gegen Thomas Kemmerich (FDP) verloren, der mit Stimmen von CDU und AfD ins Amt kam. Einen Regierungskrise-Monat später soll das rückabgewickelt werden. Ramelow will bis zu vorgezogenen Neuwahlen im April 2021 eine Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen anführen.

Ob seine Wahl gelingt, ist freilich offen. Rot-Rot-Grün stellt 42 der 90 Parlamentarier. Für die Mehrheit von 46 Abgeordneten müssen daher mindestens vier aus der Opposition für Ramelow stimmen. Unisono betonen CDU, FDP und AfD, dass sie das nicht tun werden.

Die AfD hat Landeschef Björn Höcke als Gegenkandidaten aufgestellt. Am Dienstagabend will sie gegen die Ramelow-Wahl demonstrieren, weil Abgeordnete von CDU und FDP durch „massiven Druck aus Berlin, Faschismusvorwürfe, Nazivergleiche und koordinierte Gewaltausbrüche (...) eingeschüchtert“ worden seien.

Bodo Ramelow will bis zu vorgezogenen Neuwahlen im April 2021 eine Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen anführen.
Bodo Ramelow will bis zu vorgezogenen Neuwahlen im April 2021 eine Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen anführen. © Michael Reichel/dpa

Der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer AfD-Fraktion, Torben Braga, nannte Höckes Kandidatur eine „parlamentarische Selbstverständlichkeit“. Im Übrigen solle sie verdeutlichen, dass Ramelow – sollte er mehr als 42 Stimmen erhalten – nicht von der AfD gewählt worden sei.

Die Kandidatur Höckes könnte nach Beobachtermeinung dazu beitragen, dass einige Parlamentarier von CDU und FDP im ersten Durchgang für den Linkenkandidaten stimmen. Rot-Rot-Grün verlangt die Mehrheit für Ramelow bereits für den ersten Wahlgang. Allerdings dürfen keine Stimmen der AfD dabei sein, weil die Links-Koalition Wert darauf legt, dass ihr Kandidat – anders als Kemmerich vor einem Monat – nicht mithilfe der Rechtsaußen-Partei ins Amt kommt. „Wenn das klar ist, dass die AfD ihn gewählt hat, wird Bodo Ramelow die Wahl nicht annehmen“, betonte Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow.

Sie geht aber davon aus, dass Ramelows Wahl im ersten Wahlgang gelingt. „Geht etwas schief bei der Ministerpräsidenten-Wahl, würde Rot-Rot-Grün sofort die Auflösung des Landtags beantragen“, warnt SPD-Fraktionschef Matthias Hey. Somit müssen die fehlenden vier Stimmen von CDU oder FDP kommen. Speziell die CDU wird in der Pflicht gesehen, weil sie mit Rot-Rot-Grün eine begrenzte Zusammenarbeit ausgehandelt hat, damit im Freistaat bis zu den Neuwahlen im nächsten Jahr so etwas wie politische Stabilität herrscht.

Trauerspiel um Kemmerich

CDU-Abgeordnete dürfen Ramelow eigentlich gar nicht wählen – jedenfalls nach der Papierform. Denn nach wie vor gilt der Beschluss der Bundes-CDU, wonach es keine Zusammenarbeit mit Linkspartei und AfD geben darf. Generalsekretär Paul Ziemiak warnte vorsorglich: Wer von der CDU Ramelow wähle, verstoße gegen die Beschlüsse der Partei.

Trotzdem gibt sich Ramelow zuversichtlich, schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit zu bekommen. „Diese Sicherheit habe ich in vielen individuellen Gesprächen gewonnen, die ich mit Abgeordneten anderer demokratischer Fraktionen führte“, sagte er. Der CDU-Abgeordnete Volker Emde bekannte freimütig: „Wir stellen das Wahlergebnis sicher.“ Auch der bisherige CDU-Fraktions- und Parteichef Mike Mohring, der am Montag seine Ämter niederlegte, hält es für „gut möglich“, dass Ramelow im ersten Wahlgang gewählt wird. FDP-Leute wiederum könnten den Linken wählen, weil sie das Trauerspiel um ihren Vormann Kemmerich beenden wollen. Der war nach drei Tagen als Ministerpräsident zurückgetreten.

Der neue CDU-Fraktionschef Mario Voigt, der den Stabilitätspakt mit Rot-Rot-Grün federführend aushandelte, betonte jedoch: „Wir haben eine klare Haltung. Wir können als Fraktion Bodo Ramelow nicht wählen.“ Womöglich ist „als Fraktion“ als semantischer Kniff zu verstehen, sodass es einzelne Abgeordnete sehr wohl tun könnten. Wer will das auch nachweisen, die Wahl ist ja geheim? Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus der CDU, als gute Christen wisse man doch, wie die Empfängnis funktioniere. Nämlich unbefleckt. Halleluja, es wäre das Wunder von Erfurt.

Vielleicht überlässt es die Fraktionsspitze jetzt allein Ramelow, Wähler in den Reihen der CDU zu rekrutieren. Auch die Linke hält den Ball inzwischen flach und will, dass die CDU gesichtswahrend aus dem Dilemma herauskommt. Denkbar wäre zudem, dass Rot-Rot-Grün die Messlatte wieder etwas tiefer legt. Im dritten Wahlgang würde Ramelow nämlich die einfache Mehrheit reichen. (mit SZ/ale)