So wird aus der Peterskirche ein Kunstwerk

Vor Kurzem hatte sie noch einer alten Rum-Destille im kolumbianischen Dschungel ein neues Aussehen verpasst, zuletzt einer Hausfassade in Norwegen. Am Donnerstag steht Claudia Walde nun in der Rabryka an der Bautzener Straße in Görlitz und dirigiert Schüler der Scultetus-Oberschule.
„Ja, gut so. Moment, ich fahr das mal weg“, sagt sie und rollt eine Hubbühne zur Seite. MadC, unter diesem Namen ist die 38-Jährige in der Szene bekannt. Claudia Walde zählt derzeit zu den bekanntesten Graffitikünstlern der Welt.
Sie studierte auf der Burg Giebichenstein in Halle, sowie am Central Saint Martins College in London. 1998 begann sie mit der Sprühdose zu arbeiten, zunächst in ihrer Heimat, dann Wände weltweit. In über 35 Länder hat sie Wände mit ihren Graffiti gestaltet. „Was ich hier in Görlitz mache, ist für mich etwas Neues. Mit einer Kirche hatte ich es noch nie zu tun“, sagt sie. Lange überlegen musste Claudia Walde aber nicht, ob sie den Auftrag annimmt. „Ich bin Bautzenerin. Und obwohl ich rund um die Erde unterwegs bin, hab ich immer einen Bezug zur Oberlausitz“, sagt MadC. Sie verwandelt die Peterskirche in ein Kunstobjekt. Ende vergangenen Jahres begann dort der Gerüstbau. Die beiden Türme werden saniert, ein aufwendiges Unterfangen. „Als ich das Gerüst sah, habe ich überlegt, ob man es nicht als Werbefläche für Görlitz, für die Europastadt nutzen könnte“, erzählt der Görlitzer CDU-Landtagsabgeordnete Octavian Ursu. Aber wie? Und wer bezahlt? Er sprach mit Ministerpräsident Michael Kretschmer über die Idee, schnell kam man auf das Programm „So geht sächsisch“, eine groß angelegte Werbekampagne für den Freistaat. Dort zeigte man sich aufgeschlossen. „Eine erste Idee war eine Werbeschrift. Dann kam auch ein Wettbewerb ins Gespräch. Aber dafür war zu wenig Zeit.“ Frank Wend winkt ab. Es sei sehr schnell klar gewesen, hier muss eine andere Aktion her, sagt der Mann aus der Staatskanzlei. Dresden hatte bereits gute Erfahrungen mit Claudia „MadC“ Walde.
Sie verwandelte Anfang des Jahres das alte Terminal des Flughafens vor dem Abriss in ein Kunstwerk. Es gab also beste Kontakte, so kam eines zum anderen. Der Stadt Görlitz kostet die gesamte Aktion nichts. Der Freistaat zahlt. Wie viel, Frank Wend weiß es gar nicht so genau. „Da kommt einiges zusammen Material, die Aufhängung, die Gage ...“, sagt er und schätzt schließlich um die 30 000 Euro. „Eines musste aber klar sein: Die evangelische Innenstadtgemeinde muss ihre Zustimmung für das Vorhaben geben“, sagt Octavian Ursu. Insgesamt fünf riesige Leinwände sind für das Gerüst der Peterskirche vorgesehen, jede fünf mal acht Meter groß. Vier davon hat Claudia Walde in ihrer unverkennbaren Art mit dem Pinsel bearbeitet, für die fünfte, eine reine Sprüh-Arbeit, holte sie sich Unterstützung von interessierten Schülern der Scultetus-Oberschule. Bevor es aber an die großen Werke ging, hielt Claudia Walde die Bilder auf Leinwand fest. Von dort werden sie dann auf die 40-Quadratmeter-Folien übertragen.
Bis auf das Bild, das jetzt gerade mit den Schülern entsteht, kennt der Pfarrer der Innenstadtgemeinde Hans-Wilhelm Pietz die Entwürfe. „Es geht davon eine Ausstrahlung für Görlitz und für Zgorzelec aus“, sagt er. Am Donnerstag kam Hans-Wilhelm Pietz in die Rabryka, schaute sich die „Produktion“ des fünften Bildes an. Die vier anderen liegen schon gut verpackt im Nebenraum. Es wird kleinere und größere Gespräche zu dem Gesamtkunstwerk geben, sagt der Pfarrer. Das ist auch in seinem Sinne, und er ist stolz auf das Vorhaben. „Wir haben Verbindungen nach Brandenburg, nach Berlin. Dort wird man uns bestimmt beneiden“, schmunzelt Hans-Wilhelm Pietz. Bedingungen für die Werke habe es aber doch gegeben. Die Motive sollten nicht einem Selbstzweck dienen, nicht ausgrenzen, deutungsoffen sein. „Das ist absolut gelungen“, sagt der Pfarrer. Diskussionen um die Bilder an der Peterskirche werde es geben, ist auch Octavian Ursu klar und er findet es auch richtig. Claudia Walde vertritt ihren Expertenstandpunkt: „Kunst ist dazu da, um darüber zu reden, zu debattieren.“ Annett Hofmann, Frau des Ministerpräsidenten, schaut ebenfalls in der Rabryka vorbei. Während Michael Kretschmer in Herrnhut eine Schule einweiht, greift sie zur Sprühdose. „Kunst muss mutig sein“, findet Annett Hofmann. Sie sieht das Ganze als ein „cooles Projekt“.
Dass ihre Straßenkunst eher flüchtig ist, nimmt Claudia Walde in Kauf. „Ich hoffe dann immer auf ein gutes Foto“, lacht sie. Aber Galerien rund um den Globus verkaufen ihre Werke auch auf Leinwand. Die Görlitzer Folien sollten auf jeden Fall bis Oktober durchalten, sagt Claudia Walde. Kurz nach Ostern, so ist der Pan, werden sie montiert, in etwa 40 Meter Höhe. „High-Tech“, „Weltkultur“, „Europa“ und „Spitzen- Görlitz und der Landkreis“, so hat MadC ihre Motive getauft. Die zugehörigen Leinwände, die Görlitz-Folien im Miniformat, sind schon verkauft, nach New York, Paris und zwei in die Schweiz.
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