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So wird ein Office aus dem Home

Sächsische Betriebe haben Heimarbeit wegen Corona ausprobiert. Büroangestellte wollen jetzt mehr.

Von Georg Moeritz
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Ein Chef, ein Hund: 3m5-Geschäftsführer Michael Eckstein arbeitet in einer repräsentativen Dresdner Villa, aber auch im Homeoffice an Internetseiten. Üblicherweise aber nicht auf dem Fußboden.
Ein Chef, ein Hund: 3m5-Geschäftsführer Michael Eckstein arbeitet in einer repräsentativen Dresdner Villa, aber auch im Homeoffice an Internetseiten. Üblicherweise aber nicht auf dem Fußboden. © Thomas Kretschel

Dresden. Was tun mit einem solchen Umfrage-Ergebnis? Michael Eckstein hat die rund 100 Beschäftigten seines Dresdner Internet-Unternehmens 3m5 gefragt, ob sie nach Corona weiterhin häufig im Homeoffice arbeiten möchten. Schon vor der Pandemie durften sie auf Wunsch zu Hause programmieren – oder tageweise dort arbeiten, wenn sie Handwerker erwarteten. Die Umfrage zeigt dem Geschäftsführer nun: Ein Drittel der Mitarbeiter möchte unbedingt ins Büro zurück. Ein Drittel ist unentschieden. Und ein Drittel kann sich jetzt vorstellen, häufiger zu Hause zu arbeiten.

So ähnlich dürfte das Stimmungsbild in vielen sächsischen Büros aussehen. Viele sächsische Betriebe haben wegen der Ansteckungsgefahr Heimarbeit ausprobiert – und manche Mitarbeiter wollen mehr.

Der sächsische Verdi-Gewerkschaftssekretär Enrico Zemke rechnet damit, dass viele Beschäftigte jetzt Druck machen werden – auch auf Betriebsräte, damit die ihre Wünsche voranbringen. Wer gut mit der Heimarbeit zurechtkam, will nicht mehr jeden Tag ins Büro fahren und fordert Regelungen. Die Sparkassenversicherung Sachsen hatte bereits vor Corona eine Betriebsvereinbarung, die Vollzeitbeschäftigten zwei Tage „mobiles Arbeiten“ pro Woche ermöglichte. In der Krise wurde die Regelung so verlängert, dass Beschäftigte einige Monate lang zu 100 Prozent mobil arbeiten durften. Ihre Kollegen im Büro bekamen dadurch mehr Abstand zueinander. Mancher Mitarbeiter trug einen Monitor aus der Hauptverwaltung mit nach Hause, um mit den großen Tabellen der Sparkassenversicherung umgehen zu können. Vor einem Jahr waren alle Mitarbeiter mit Hard- und Software ausgestattet worden.

Homeoffice ist nicht rosarot

Vor Corona ließ so mancher Chef seine Mitarbeiter nur ungern zu Hause arbeiten. In der Dresdner Industrie- und Handelskammer ist die Ansicht verbreitet, Homeoffice verleite zur Bequemlichkeit. Beim Anlagenbauer Fabmatics gibt Geschäftsführer Heinz Martin Esser zu bedenken, dass seine Beschäftigten in der Produktion ihre Arbeit nicht mit nach Hause nehmen können. Sie könnten es als ungerecht empfinden, wenn nur Büroangestellte mehr Freiheiten bekämen. Andererseits fallen Fahrtzeiten weg, und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird zum Argument beim Werben um Fachkräfte.

Als Kindergärten und Schulen in Sachsen schlossen, blieb vielen Eltern mit Büroberufen gar nicht anderes übrig als Arbeit am Laptop. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schrieb nach einer Umfrage im April und Mai, dass Frauen deutlich häufiger als Männer ins Homeoffice wechselten. Bei Sachsens Arbeitsschutzbehörden meldeten sich Beschäftigte aus Großraumbüros und Callcentern, die sich um ihre Gesundheit sorgten und nach Hause wollten. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) erinnerte daran, dass im Büro anderthalb Meter Abstand nötig sind – oder ein Schutzschirm.

Beim Leipziger Erdgashändler VNG gingen 80 Prozent der 1.200 Mitarbeiter ins Homeoffice, in Sachsens Finanzbehörden ein gutes Drittel von 6.000. Die IKK Classic schuf für 4.200 von 8.000 Beschäftigten die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten. In einigen Abteilungen wechseln sich die Beschäftigten ab, arbeiten „in Schichten“ zeitweise zu Hause. Während die Sächsische Aufbaubank aus Datenschutzgründen die Corona-Hilfsanträge nicht von Homeofficern bearbeiten ließ, hat sich bei der AOK die Frage nach Datenschutz laut Sprecherin Hannelore Strobel nicht neu gestellt: Die 2.000 Beschäftigten im Homeoffice von insgesamt 6.800 sind „mit AOK-Plus-Technik ausgestattet und greifen auf das interne geschützte Netzwerk zu“.

Heil will Gesetz zum Recht auf Homeoffice vorlegen

Gewerkschafter Zemke weiß allerdings, dass im Homeoffice „nicht alles rosarot“ ist. Im Büro sei es leichter, eine Linie zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Mancher arbeite zu Hause länger. Der Küchenstuhl tauge nicht lange für Büroarbeit – der Arbeitsplatz zu Hause brauche geeignete Möbel, Lampen, vielleicht auch ein Rollo. Zu großen Konflikten könne es kommen, wenn Einbrecher den Rechner aus der Privatwohnung mitnähmen oder Kinder das Passwort fänden.

„Da wird es noch zu Auseinandersetzungen kommen“, erwartet der Verdi-Experte. Aus seiner Sicht müsse der Arbeitgeber für ein ergonomisch eingerichtetes Büro sorgen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat angekündigt, bis zum Herbst ein Gesetz zum Recht auf Homeoffice vorzulegen. Jeder, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulässt, soll im Homeoffice arbeiten dürfen. Bisher steht der Begriff Homeoffice laut Arbeitsstättenverordnung für Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich des Beschäftigten, die vom Arbeitgeber fest eingerichtet wurden. Das dürfte im Corona-Notfall kaum passiert sein.

Meistens wurde bestenfalls „mobiles Arbeiten“ ermöglicht, indem Beschäftigte an verschiedenen Orten einen Laptop nutzen konnten. Wo private Technik genutzt wird, zahlen manche Arbeitgeber Pauschalen – andere verbieten es aus Datenschutzgründen, private Rechner mit dienstlichen Informationen zu füttern.

Muster für Betriebsvereinbarungen finden sich beim gewerkschaftsnahen Institut IMU unter www.mitbestimmung.de und beim Energieverband www.bdew.de.