Von Annette Binninger
Hochzeitspaare haben es nicht leicht an diesem Freitag in Kazan. Die wichtigsten Kreuzungen sind gesperrt. Auch Autos und Busse müssen halten, wenn die Kolonne mit dem 500er Leih-Mercedes von Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) und drei Bussen mit Blaulicht vornweg durch die Hauptstadt von Tatarstan drängelt. Die 40 sächsischen Unternehmer haben auf ihrem Weg zum Hubschrauberwerk von Kazan Vorfahrt vor tatarischen Bräuten.
Im Werk scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Eine Fotowand mit den „Veteranen der Arbeit“ und im Firmenmuseum ist Lenin auf Dutzenden von Bildern und Fahnen noch immer der Held. 90 Hubschrauber pro Jahr bauen die rund 8000 Beschäftigten. Ein kleines Stück vom Auftragskuchen für die neue geplante Mi-38, darum geht es den Sachsen, 2012 soll der Hubschrauber mit einer Tragkraft von 15 Tonnen gebaut werden. Irgendwann verschwinden 20 Unternehmer mit dem Betriebsleiter. „Wir brauchen noch Zahnräder“, legt der dann überraschend eine konkrete Anfrage auf den Tisch. „Es ist toll gelaufen“, freut sich ein Unternehmer danach. „Allein hätten wir so ein Gespräch nie bekommen.“
Aber auch die tatarischen Gastgeber legen sich ins Zeug: Im „Deutschen Haus“, dem kulturellen Treffpunkt in einem abrissähnlichen Hinterhof haben zwei Sänger extra ein sorbisches Volkslied für Ministerpräsident Stanislaw Tillich einstudiert. Der Sorbe ist gerührt.
Seit Tillich Anfang der Woche anderthalb Stunden „Audienz“ bei Wladimir Putin bekommen hat, scheint das Türenöffnen für die mitgebrachten Mittelständler noch leichter zu fallen. Wo die Sachsen seitdem auch auftauchen, sie werden allesamt wie höchste Staatsgäste empfangen. Und sie punkten: Künftig sollen sie bei der Beseitigung tatarischer Altlasten helfen. Mit dem Know-How des Leipziger Biomasseforschungszentrums und eines Fraunhofer-Instituts soll in Kazan ein Biogaslabor entstehen. Außerdem wollen Sachsen und Tatarstan ein Kompetenzzentrum für Maschinenbau aufbauen.
Die Hast von einem Termin zum nächsten, der wenige Schlaf haben sich also gelohnt. Etliche Unternehmen kehren zumindest mit besseren Chancen auf Aufträge in Tatarstan nach Sachsen zurück. Doch die Anstrengung ist vielen im Gesicht abzulesen: müde, verquollene Augen, mit tatarischen Schatten darunter. Um 4.15 Uhr startet die sächsische Reisegruppe heute (Sonnabend) zurück nach Dresden. Für Stanislaw Tillich geht es dann gleich weiter: Er hat vor, beim Landespresseball in Dresden noch eine Nacht durchzutanzen.