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Sorge um die Märzenbecher

Im Polenztal blühen in diesem Jahr weniger Blumen als gewohnt. Woran liegt das?

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Von Dirk Schulze

Dieses Jahr waren es weniger, da ist sich Romy Schade sicher. Die Inhaberin des Gasthauses Polenztal wohnt seit 22 Jahren in dem Tal, nach dem ihre Pension benannt ist. Die Menge der Märzenbecher, die jedes Frühjahr hier erblühen, hat seitdem abgenommen, sagt sie. „So wie wir’s von früher kennen, ist es nicht mehr.“ Die zwei Talsohlen vorn an der Einfahrt zu ihrer Pension standen sonst immer voll mit den Blumen. In den vergangenen Wochen waren dort nur ein paar vereinzelte weiße Blüten zu sehen. In Richtung Waltersdorfer Mühle jedoch, eine Dreiviertelstunde entfernt, werden es immer mehr. Verlagern sich die Frühblüher nur? Ortstermin flussaufwärts an der Bockmühle. Bernard Hachmöller hat eine Karte mitgebracht. Der promovierte Biologe ist Referatsleiter für Naturschutz beim Landratsamt und in dieser Funktion als oberster behördlicher Naturschützer des Landkreises auch für das Polenztal zuständig. Die Karte stammt aus dem Jahr 2002. Sie wurde damals während der Hauptblütezeit der Märzenbecher erstellt. Die Vorkommen sind dort in vier Häufigkeitsklassen eingeteilt. In Häufigkeitsklasse eins, der höchsten, wurden damals auf einer Grundfläche von vier Quadratmetern zwischen 250 und 350 einzelne Blütenköpfe gezählt. In Klasse vier, der niedrigsten waren es nur maximal fünfzig Blüten auf der gleichen Fläche. Die Einteilung beruht natürlich auf Schätzungen – niemand könnt je alle Märzenbecherblüten zählen. Dem Experten hilft sie jedoch, das Vorkommen von heute mit dem von vor über zehn Jahren zu vergleichen.

Auf dem ersten Stück Wanderweg von der Bockmühle flussabwärts fällt der Vergleich zwischen der Karte und dem aktuellen Bewuchs der Wiese klar aus. „Hier müsste eigentlich mehr kommen“, sagt Biologe Hachmöller. Der von den Märzenbechern bevölkerte Bereich entspricht zwar ungefähr dem auf der Karte, nur die Dichte ist geringer. Hier stehen also weniger Blüten auf der gleichen Fläche. Der Fachmann führt das vor allem auf die extreme Trockenheit zurück. Während die Wiesen im vergangenen Jahr durch den langen Winter gut durchfeuchtet waren, ist der Bewässerungsgraben am oberen Wiesenrand aktuell höchstens zur Hälfte gefüllt. Die Märzenbecher aber brauchen Feuchtigkeit. Ideal sind sickerfeuchte Standorte, wie hier, wenn der Graben voll ist. Dann fließt das Wasser langsam über die geneigte Wiese in Richtung Polenz ab.

Ein Stück weiter hinten macht der Biologe dann Blüten aus, wo auf der Karte keine verzeichnet sind: Dort haben die Blumen also neue Flächen erobert. „Hier ist das Wasser im Graben auch gut angestaut“, erklärt er. Sein Fazit für diesen Abschnitt des Tals: Die Blüten stehen weniger dicht, haben sich aber auch in neue Bereiche verlagert. Das liege aber innerhalb der natürlichen Schwankung und hat vor allem mit dem viel zu trockenen Wetter zu tun. Die Polenz führt für diese Jahreszeit viel zu wenig Wasser. Weiter unten im Tal gibt es Bewässerungsgräben, die komplett trocken liegen. Dort wächst dann nichts.

Die Gräben müssten regelmäßig freigeräumt und mit Wasser versorgt werden, erklärt Hachmöller. Früher wurden sie über verschiedene Wehre gespeist, doch die existieren größtenteils nicht mehr. Was der Märzenbecherpopulation noch helfen könnte, wäre eine zweite Grasmahd. Als die Wiesen noch von Bauern bewirtschaftet wurden, haben die traditionell Ende Juni gemäht und dann noch einmal im September. Seit 2009 wird nur noch einmal pro Jahr gemäht, im Juni.

Wassergräben unterhalten und Wiesen mähen – beides muss bezahlt oder ehrenamtlich erledigt werden. Für die zweite Grasmahd hat Hachmöllers Behörde eine Förderung beantragt.