Von Gunnar Saft
Es ist ein Amt mit erheblichem Einfluss auf die Landespolitik: Der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages steht nicht weniger als dem größten und mächtigsten Lobby-Verband des Freistaates vor. Immerhin 422 der 429 sächsischen Kommunen gehören dem Verband an und vertreten mit dessen Hilfe ihre Interessen gegenüber der Staatsregierung – meist in internen Gesprächsrunden, notfalls aber auch knallhart am Verhandlungstisch.
Das Problem: Zurzeit ist der einflussreiche Chefstuhl unbesetzt, nachdem der langjährige Verbandspräsident, der frühere Bautzner Oberbürgermeister Christian Schramm (CDU), den Spitzenposten im Juli aufgegeben hat. Schramm ging mit dem Erreichen der Altersgrenze. Zum Abschied gab es das Beste, was der Städte- und Gemeindetag offiziell vergeben kann: die große Ehrenurkunde mit Goldmünze.
Sein Rückzug sorgt seitdem im Verband für Unruhe, denn nicht weniger als vier Kandidaten machen sich nach SZ-Informationen Hoffnungen, Schramm in Amt und Einfluss zu beerben. Die endgültige Entscheidung soll am kommenden Mittwoch auf einer Vorstandssitzung fallen – und noch ist völlig offen, wie sie ausfällt. Allein einer der Kandidaten hat in jüngster Zeit in der Mitgliedschaft so emsig für sich geworben, dass ihm im Vorfeld noch die größten Erfolgsaussichten zugeschrieben werden: Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung. Der 1,92-Meter-Mann ist nicht nur willens, sondern auch selbstbewusst genug für das neue Spitzenamt. Und in der Verbandsarbeit kennt er sich aus. Zuletzt saß Jung für den Städte- und Gemeindetag am vergangenen Mittwoch CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich beim Asyl-Krisengipfel auf Augenhöhe gegenüber.
Die Wahl des 57-Jährigen würde für den Spitzenverband allerdings in einem wichtigen Detail eine Zäsur bedeuten. Erstmals stünde ein Politiker mit SPD-Parteibuch an dessen Spitze – inklusive aller damit verbundenen Möglichkeiten. Die Personalie wird deshalb auch am Dresdner Kabinettstisch aufmerksam verfolgt. Nicht nur von Wirtschaftsminister und SPD-Landeschef Martin Dulig, für den ein Sieg Jungs mehr als nur ein Prestigegewinn wäre. Bei der CDU mag man sich dagegen nicht damit abfinden, in dem Spitzenverband an Einfluss zu verlieren. Die Hoffnungen der Christdemokraten ruhen daher vor allem auf zwei Gegenkandidaten: Dem Hoyerswerdaer CDU-Bürgermeister Stefan Skora und dessen parteilosen Amtskollegen aus Radebeul, Bert Wendsche. Besonders Letzterem wird nachgesagt, im Verband gut gelitten zu sein. Allerdings sind die Chancen der beiden auf dem Papier deutlich geringer. Der Grund: Von den 36 Vorstandsstimmen, die nach der Einwohnergröße der vertretenen Kommune verteilt werden, fallen nur noch ein halbes Dutzend auf CDU-Vertreter. Ein klarer Hinweis darauf, wie dramatisch sich die Machtverhältnisse in Sachsens Rathäusern geändert haben. Wendsche und Co. könnten jedoch mit einem anderen Umstand punkten. So fürchten nicht wenige Verbandsmitglieder, dass mit einem neuen Chef, der als Oberbürgermeister eine Großstadt vertritt, die Interessen kleinerer Gemeinden bald hinten anstehen. Ein realer Stolperstein für Jung.
Als ebenso große Gefahr für den Mann aus Leipzig erweisen sich dann aber ausgerechnet die eigenen Genossen. Weniger der vierte Kandidat, der frischgekürte Freiberger SPD-Oberbürgermeister Sven Krüger, der als krasser Außenseiter gilt. Zum Verhängnis könnte Burkhard Jung vielmehr die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) werden, die bestens vernetzt ist. Ludwig und Jung, das gilt als offenes Geheimnis, sind sich in herzlicher Abneigung zugetan. Nachgesagt wird der Chemnitzerin, dass sie sich deshalb vehement gegen Jungs Kür wehrt. Und in dem Fall, ist das sogar leichter als gedacht: Die Abstimmung findet geheim statt.