Auch Funkenmariechen können sich verletzen. Vielleicht nicht so spektakulär wie Laura Anfang Mai vergangenen Jahres auf der Elbe. Da überschlug sich die heute 17-Jährige mit ihrem Speedboot und landete kopfüber im Wasser. Dass so etwas passieren kann, hat sie gewusst. Als die junge Rheinländerin noch in aufwendigen Tanzchoreografien den Karneval begleitete, lagen verstauchte Knöchel nahe. Es braucht einen gewissen Pragmatismus, um in dem Sport, für den sie sich danach entschied, unverkrampft zu bleiben und erfolgreich zu sein.
Ein Jahr nachdem sich Laura Morgensterns Rennboot an einer Welle aufschaukelte, aushob und für Sekunden senkrecht in der Luft stehen blieb, bis es seitlich nach hinten abkippte, ist nichts vergessen. „Aber ich habe immer gesagt, dass ich wieder fahren will“, sagt die Gymnasiastin. Am Wochenende trainierte sie auf der Elbe. Doch bis es so weit war, brauchte sie viel Geduld. Nach dem Unfall lag Laura zwei Wochen lang im Krankenhaus. Sie hatte Wasser eingeatmet, sodass ihre Lunge beschädigt war und sich erst langsam erholen musste. „Ich durfte mich viele Monate lang nicht allzu schwer belasten“, erzählt sie.
Den ersten Versuch, endlich wieder über den Fluss zu flitzen, unternahm sie im September. „Als ich in voller Montur und angeschnallt im Boot saß, ist mir schrecklich schlecht geworden“, erinnert sie sich. Laura stieg aus und musste sich übergeben. Doch sie gab nicht auf. Schon bald fuhr sie probehalber ein Rennen mit und ordnete sich an vorderer Front ein. „Aber für mich ging es ja um keinen Titel, sondern darum, ein Gefühl für mein Boot zu bekommen.“
Das Gefühl fürs Boot zu haben, heißt für Laura Morgenstern auch, „das Wasser lesen zu lernen“, wie sie sagt. Ihr Lehrer darin ist Philipp Franz. Am Unglückstag stand er am Rand der Elbe und überwachte das Training. Die Welle, die Laura zum Verhängnis wurde, sah er vom Ufer aus, doch es war schon zu spät. Je besser ein Rennfahrer das Verhalten des Wassers erkennt und versteht, desto unwahrscheinlicher werden Unfälle. Das weiß er aus eigener Erfahrung. Franz selbst ist aktiver Rennfahrer und hat das Team Klebwerk-Racing mitgegründet. Bei einem ihrer frühesten Wettkämpfe hatte Laura den Dresdner kennengelernt und war von ihm ins Team aufgenommen worden. Zu der Zeit suchte sie ohnehin ein neues, denn aus der vorigen Altersklasse war sie herausgewachsen. Speedbootfahren ist kein Breitensport. Wer trainieren und Rennen absolvieren will, braucht ein Team und Geldgeber. Der privat finanzierte Kick ist teuer und funktioniert überwiegend über Sponsoring. Manche Rennfahrer sind so reich, dass sie sich das Hobby gönnen. Nur an der Spitze fahren Profis.
„Allein die spezielle Schwimmweste, die nötig ist, kostet 800 Euro“, sagt Lauras Mutter. So oft sie kann, begleitet sie ihre Tochter zum Training. Sechseinhalb Stunden Autofahrt liegen zwischen ihrem Duisburger Zuhause und Dresden. Häufig nimmt Laura auch den Flixbus, in den Ferien trainiert sie längere Phasen am Stück und wohnt unterdessen bei Bekannten. Doch bei aller Liebe zum Sport, die Schule geht vor. Das sagt nicht nur ihre Mutter. Gerade hat Laura die erste Abiturprüfung hinter sich. Mathe. Kein großer Stress. Nach dem Abi wird sie ein duales Managementstudium beginnen. Ginge ihr das Lernen nicht so gut von der Hand, könnte sie nicht so viel Zeit in den Sport investieren.
Der spielt sich nicht nur auf dem Wasser ab. Steht dort gerade kein Training an, hält sich Laura im Studio fit. „Um das Lenkrad zu halten, brauche ich viel Kraft“, erklärt sie. Schließlich schafft ihr Formel-4-Boot mit seinen 60 PS bis zu 120 Stundenkilometer. „Beim Rennen fährt man zwischen 85 und 105 Kilometer die Stunde.“ 350 Kilogramm muss das Boot aus Kunststoff inklusive Motor und weiterer Technik sowie Sportler wiegen. „Bei mir klappt das nicht ganz, ich brauche zusätzlich Gewichte“, sagt Laura. In ihrem schwarzen Ganzkörperanzug mit oranger Schwimmweste sieht die zarte Person kaum fülliger aus als in Jeans und Jacke. Helm und Nackenstütze gehören zur Sicherheitsausstattung. Doch sie schützt nicht genug, wenn die Rennfahrerin nicht zusätzlich genau weiß, was im Ernstfall zu tun ist.
Schon vor ihrem Unfall hatte Laura immer wieder trainiert, was zu tun ist, wenn das Boot kippt und sie untertaucht: Atemgerät greifen, Sechspunktgurt lösen, aus der Kapsel kriechen und auftauchen. Rennfahrer wie sie üben den Ablauf in Schwimmbädern. Dort simulieren sie das Kentern mit extra Apparaturen. „Inzwischen haben wir die Sicherheitsstandards über das geforderte Maß erhöht“, sagt Lauras Mutter. Der Sauerstoff reicht jetzt 30 statt 20 Minuten und zwei Motorboote mit Crew sind für den Ernstfall ständig vor Ort. Laura nickt nachdenklich: „Aber wer Angst hat, sollte nicht Speedboot fahren.“