Von Alexander Müller
Es ist dunkel, baufällig und eng. Ins Liebenausche Vorwerk auf der Clara-Zetkin-Straße darf man derzeit auch nur, wenn man unterschreibt, dass man das auf eigene Gefahr hin tut. Doch das äußerlich ruinöse Gebäude hat es in sich. Es birgt ein Geheimnis, das wahrscheinlich um die 200 Jahre niemand mehr gesehen hat: Eine historische Decke mit Renaissancemalereien aus dem 17. Jahrhundert.
Im Dezember war der Architekturwettbewerb für das neue Großfinanzamt auf diesem Areal abgeschlossen worden. Den Wettbewerb gewann ein Berliner Architektenbüro, das vor allem wegen seines schonenden und kreativen Umgangs mit der Altbausubstanz ausgewählt worden war (SZ berichtete). Unmittelbar im Anschluss begannen unter Leitung des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) die Bauplanungen einschließlich der Voruntersuchungen in den Altgebäuden. Im Zuge dieser Untersuchungen entdeckten die Bauforscher im ersten Obergeschoss des Vorwerk-Haupthauses eine bemalte Holzbalkendecke aus der Zeit der Renaissance.
„Vermutlich steht die Bemalung in Verbindung mit dem Umbau des Vorwerks durch Liebenau um 1640“, erklärt Jens Schönfelder vom SIB. Genaueren Aufschluss hierzu sollen noch laufende Laboruntersuchungen bringen. Bei der Bemalung der kassettierten Holzbalkendecke handelt es sich um eine grün-weiße Fassung. In den Mittelpunkten der Felder sind Vögel und Früchte zu sehen. Der Zustand der Decke sei sensationell gut. Im nächsten Schritt soll der Fund gesichert und in der weiteren Planung berücksichtigt werden.
Begeistert von dem Fund ist auch Dirk Böhme. Der Bauforscher kennt sich in Pirna gut aus. „Die Decke nimmt einen vorderen Platz von den in der Stadt noch erhaltenen ein.“ Vermutlich sei die nun zu sehende Malerei noch nicht einmal die erste Fassung. Die Entstehung der Decke selbst schätzt Dirk Böhme auf um 1620, also noch vor der Nutzung durch Liebenau. Kurios sei auch, dass Decke und Malerei auf ein herrschaftliches Bürgerhaus schließen lassen, dieser Teil des Hauses aber als Wirtschaftsraum genutzt wurde.
Jetzt soll die Decke erst einmal wieder verschlossen werden bis man weiß, wie man sie am besten restaurieren kann. „Wir möchten die historischen Bauten so gut wie möglich in den geplanten Neubau integrieren“, erläutert Jens Schönfelder vom SIB. So soll zum Beispiel auch das ehemalige Waisenhaus an der Schandauer Straße zumindest in wesentlichen Teilen erhalten bleiben.
Der Freistaat Sachsen beabsichtigt, die Finanzämter Freital und Pirna zusammenzulegen. Der Neubau mit rund 4 450 Quadratmetern Nutzfläche und weiteren Flächen für Registraturen und Aktenlagern soll künftig etwa 280 Beschäftigten Platz bieten. Derzeit erstellt das Sächsische Immobilien- und Baumanagement die Entwurfsplanung, in deren Zusammenhang auch Abstimmungen mit der Stadtverwaltung Pirna, der Denkmalpflege und dem Umweltschutz stattfinden.
Den Bau verzögern soll der bedeutende Fund übrigens nicht. Es werde weiterhin angestrebt, das Gebäudeensemble Ende 2015 fertigzustellen. „Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, soll noch in diesem Jahr mit den Bauarbeiten begonnen werden“, berichtet Jens Schönfelder. Neben Abriss- und Sicherungsmaßnahmen an den Bestandsgebäuden sei auch der Aushub der Baugrube für dieses Jahr geplant.