Trompeten mit dem Online-Lehrer

Oberlichtenau. Die Trompete, sein Notenblatt und viel Puste: Mehr braucht der achtjährige Jonathan Anders eigentlich nicht für den Musikunterricht. Der findet mit Musiklehrer Alexander Valnov normalerweise in den Vereinsräumen des Oberlichtenauer Spielmannszuges (SZO) statt. Für Jonathan und reichlich 70 weitere Schüler.
Doch derzeit gehören zur notwendigen Ausstattung Internetanschluss und Tablet. Das steht auf einem eigenen Notenständer in der guten Stube bei Familie Anders in Friedersdorf. Es läutet leise. Das ist das Signal. Weil wegen der Corona-Epidemie der Musikunterricht untersagt ist, kommt der Lehrer zum Hausbesuch, via Internet. Aus seiner Wohnung in Dresden begrüßt er seinen Schüler und staunt, dass ihm die Presse über die Schulter guckt.
Jonathan hat sich schon mit seiner Trompete vor den Noten in Position gebracht und verfolgt das Geschehen. Mit Lippenübungen geht‘s los: „Versuche mal, die Lippen so zu formen.“ Der Lehrer demonstriert es vor der Kamera. Dann spitzt Jonathan die Lippen zur Schnute und bläst ein C - erstmal ohne Trompete, aber voll konzentriert. Es sind Lockerungsübungen. Der Lehrer korrigiert und lobt.
Dann gibt‘s ein bisschen Verwirrung mit den Notenzeilen, die Tücken des Online-Unterrichts. "Lehrer und Schüler haben unterschiedliche Ausgaben des Musikheftes“, erklärt Papa Thomas Anders. Normalerweise gucken beide ja auf das selbe Notenblatt .
Der Applaus fehlt
Sieben Lehrer arbeiten für den Spielmannszug, für Flöte, Trommel und die anderen Instrumente, und überall läuft es jetzt so ähnlich. Der Abstimmungsaufwand ist riesig, erklärt Thomas Anders, zugleich musikalischer Leiter des SZO. Dessen 200 Mitglieder können es kaum erwarten, dass das Training wieder beginnt. „Unsere Musiker brennen darauf, vor Zuschauern zu spielen. Es fehlt die Motivation, der Applaus“, sagt Thomas Anders. Und die Gemeinschaft, menschlich wie im Training.
Deshalb hat Anders für den späten Nachmittag eine Premiere vor. Gruppenunterricht ist derzeit nicht möglich: „Damit wir zumindest virtuell damit starten können, gibt es den ersten Gruppenvideochat.“ Das sei wichtig, um wieder zu erfahren, was der Nebenmann macht, und das Gehör dafür zu schärfen.
So wurden auch zwei Videos gedreht: Jeder für sich und doch gemeinsam, war die Idee. „Die Einzelvideos von der Probe daheim haben wir zusammengeschnitten“, erklärt Thomas Anders. So ist ein Gemeinschaftsauftritt entstanden, den Spielleute und Fans online auf der Homepage des Vereines verfolgen können.
Lehrer Valnov zeigt Jonathan unterdessen Griffe an der Trompete und summt Töne. „Spannenlanger Hansel…“ erklingt. Die Verbindung steht, alles funktioniert. Wenn mal ein schiefer Ton kommt, gibt’s Tipps. Das darf ja beim Anfänger auch mal vorkommen. „Mit Lehrer im Freizeitzentrum macht es aber mehr Spaß“, gibt Jonathan in einer kurzen Pause zu.
Die Töne seien übers Tablet nicht ganz so gut zu hören. Ein Problem, das auf Gegenseitigkeit beruht, bestätigt der Lehrer. Wobei er manchmal das Gefühl habe, die Schüler würden derzeit fleißiger üben. „Aber es ist keine Dauerlösung, nur etwas für Ausnahmesituationen“. Der persönliche Kontakt fehle.
Viele Konzerte abgesagt
So ist es gerade auch für die Juniorband im Verein eine schwierige Phase. Sie probt eine neue Show. Die sollte am Freitag Premiere zum musikalischen Saisonauftakt in Oberlichtenau haben. Mit Einweihung des neu gestalteten Trainingsplatzes. Der ist zugleich Sportplatz für die Grundschule. Doch der Termin fällt erst einmal aus.
Es sollte diesmal zugleich ein Dank an die Sponsoren werden. Etwa 700.000 Euro investierte der Verein in die Anlage mit Förder- und Sponsorengeldern. Im Idealfall werde die Einweihung vielleicht nach der Sommerpause stattfinden können: „Aber keiner weiß genau, wie sich die Lage entwickelt“, sagt Thomas Anders. Auch das gemeinsame Training auf dem Platz pausiert.
Außerdem mussten rund zwölf Konzerte wegen Corona bereits abgesagt werden oder stehen auf der Kippe. Voriges Wochende standen große Shows in Hannover und Hamburg an. Wichtige Einnahmen, die dem Verein fehlen, auch um die Musiklehrer zu bezahlen. „Zum Glück habe wir einen guten Finanzvorstand“, sagt Anders.
Das ist Lars Jenichen. Gerade am Unterricht für die Anfänger wolle der gemeinnützige Verein eben nicht sparen, sagt er. „Wir haben den gesamten Finanzplan auf die Situation ohne Einnahmen umgestrickt.“ Ein Loch von über 10.000 Euro deute sich an. Gekürzt werde jetzt beim geplanten Neukauf von Instrumenten und Uniformen.
Jonathan hat sein Pensum inzwischen geschafft. Er ist zufrieden mit sich und nickt verschmitzt. Die halbstündige Übungseinheit war diesmal etwas kürzer – wegen der Presse. Auf Lehrer Valnov wartet schon der nächste Online-Schüler. Aber nächste Woche gibt‘s auch für Jonathan wieder die volle Dosis Übungsstoff.
Wer, wie
Jonathan, gern das Musizieren auf der Trompete erlernen möchte, kann sofort eine Ausbildung beginnen - vorerst online. www.spielmannszug-oberlichtenau.de.
Mehr Nachrichten aus Bautzen lesen Sie hier.