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Spießer sind aus der Mode

Cocktails. Eine große Meisterschaft mit viel Alkohol, Zuckerwatte und Geschmacksverirrungen.

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Von Ivette Wagner

„Das ist heute, glaube ich, nicht mein Tag“, sagt Max Illich. Der Chef der Karl-May-Bar im Kempinski Taschenbergpalais nippt. Runzelt die Stirn, kostet wieder. Drei Drinks stehen vor ihm. Illich und noch drei andere Jury-Mitglieder sollen Aussehen, Aroma und Geschmack bewerten. Schließlich kreuzt er „gut“ auf der Geschmacksliste an, die niedrigste Bewertung. „Leider gibt es kein schlecht“, sagt Illich.

Aller 20 Minuten bekommt die Jury Nachschub. Während auf der Bühne Barkeeper aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre Kreationen in der Kategorie Longdrink bei der Mitteldeutschen Cocktailmeisterschaft herstellen. Neben den Meistern der Mix-Kunst stehen Experten, die Technik-Jury. „Die bewerten das Handwerkliche“, erklärt Ulf Neuhaus, Chef der sächsischen Barkeeper-Union. „Im Mittelpunkt stehen Sauberkeit und die Zeit, in der die fünf Cocktails gemacht werden.“ Der eine verziert sein Getränk mit Zuckerwatte und nennt es „Lilly“, der nächste legt kleine Obstspieße drauf.

Ganz ohne Schnickschnack

Max Illich hebt genau die von den Gläsern als erstes wieder runter. „Es gibt zwar sehr unterschiedliche Ansichten. Für mich sind die Spießer aber aus der Mode.“ Auch bei den Cocktails gehe der Trend wieder zu den Klassikern, einfach und ohne Schnickschnack. René Schmidt, vielen hier als Keeper Schmidt und langjähriger Barchef der SonderBar ein Begriff, setzt genau das um. Nur ein paar Minzeblätter verzieren sein Glas. Drinnen ein „Red Lemon“, eine Mischung aus Erdbeer-Likör, Zitronensaft, jeweils eine halbe Limette und Orange, zum Schluss noch alkoholfreier Sant Bitter. „Ja, ich bin ganz zufrieden“, sagt Schmidt nach der Wettbe-werbseinheit. „Von der Technik-Jury habe ich volle Punktzahl bekommen.“ Jeder Barkeeper hat ein Ausgangskonto von 20 Zählern. Je nach Fehlern werden Punkte abgezogen.

Derweil – weit weg von der Wettkampf-Bühne – sitzt Dominique Gernand, stellvertretender Chef des Westin Bellevues. Auch er gehört zur Jury. „Jedes Glas hat eine Nummer“, erklärt er. „Wir wissen nicht, von wem welcher Cocktail gemacht wurde. Also können wir auch niemanden bevorzugen.“ Zwölf Longdrinks hat er verkostet. „Langsam reicht es“, sagt Gernand und lächelt. Max Illich nippt sich weiter durch allerlei Fruchtiges. „Die Mischung sollte schon so sein, dass man auch zwei davon trinken kann“, sagt er. „Wenn ich probiere, bin ich auch auf der Suche nach Trends. Das, was ich bisher getrunken habe, ist alles viel zu klebrig.“ Dann ist Schichtwechsel. „Barkeeper vertragen schon etwas, aber übertreiben wollen wir nicht“, sagt Illich noch und verschwindet. Die zweite Jury nimmt Platz.

Nach vier Stunden hat die Mixerei ein Ende. Markus Weilnböck, später für ein Showprogramm hinter der Bar zuständig, hat sich warm gemacht. Bei ihm fliegen die Spirituosen erst durch die Luft, bevor er sie in die Gläser füllt. Die Scheinwerfer allerdings richten sich dann auf die Bühne, Ulf Neuhaus und seine Kollegen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt wollen die Sieger verkünden. Mit ihrem „Moon Flower“ holt sich Ramona Muster, Barkeeperin im Westin Bellevue, den sächsischen Titel. Ihre kleine Tochter jubelt: „Das kann man nur mit 20 Jahren im Geschäft.“ Die Freude wird noch größer. Muster wird auch noch zur mitteldeutschen Meisterin gekürt. „Es war mein Tag“, sagt sie nach der Ehrung.