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Spontan sein ist schwer

Über 150 Schüler demonstrierten gestern in Großenhain gegen den Krieg im Irak. Knapp 100 Jugendliche liefen die 15 Kilometer von Ebersbach durch dichten Nebel. Nach der Hälfte des Weges übernahm die Polizei das Kommando.

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Von Tilo Harder

Ebersbach, 7.30 Uhr. Mit selbstgemalten Plakaten treffen sich knapp 100 Schüler an der Bushaltestelle vor der Schule. Sie gehen nicht zum Unterricht, sondern zu Fuß nach Großenhain, Flagge zeigen gegen den Irak-Krieg. „Im Krieg sterben die Falschen. Die Schuldigen überleben immer. Uns tun die Kinder leid. Die sind dem Geschehen hilflos ausgeliefert“, sagt Schülersprecherin Linda Holdt. Sie und Enrico Seifert aus der 10b hatten die Idee und die Energie, die Demo zu organisieren. „Wir möchten zeigen, auch eine Mittelschule bekommt mal was hin.“ Sogar das Grundgesetz hat Linda studiert. Da sei das Recht auf spontane Versammlungen verbrieft. Das Ordnungsamt habe sie dennoch benachrichtigt und von da ein o.k. bekommen.

Auf der Stirn von Schulleiterin Karola Achtnicht zeigen sich trotzdem Sorgenfalten. „Wir haben den Schülern nahegelegt, nachmittags zu demonstrieren. Da hätten wir sie unterstützen können.“ Die Lehrer müssen die in der Schule gebliebenen Kinder beaufsichtigen und dürfen während dem Unterricht keine politischen Veranstaltungen unterstützen oder gar leiten. So ziehen die Hundert in Eigenverantwortung los. Selbst eingeteilte Ordner und zwei Mitglieder der Jugendfeuerwehr übernehmen die Sicherung. Heikel ist das schon. Dichter Nebel wabert über der Straße. Immer wieder tauchen plötzlich Autos auf.

Kalkreuth, 9 Uhr. Nach 5 Kilometern führt der Weg endlich durch eine Ortschaft. Immer wieder skandieren Rufe „Krieg ist Dreck! Bush muss weg!“ Reaktionen ernten sie nicht. Im Polizeirevier Großenhain ist es derweil unruhig geworden. Polizeihauptkommissar Hoffmann schimpft: „Eben erst haben wir übers Ordnungsamt von der Demo erfahren.“ Schnell schickt er zwei Einsatzwagen. Die Schüler hätten vor, über Folbern auf die Bundesstraße zu laufen, das ginge aus Sicherheitsgründen auf keinen Fall. Beim Eintreffen der Polizei sinkt die Stimmung der Schüler. Sie fürchten ein vorzeitiges Ende des Marsches. Als sie merken, die Beamten wollen das gar nicht, nehmen sie den Kompromiss der Umleitung über Rostig erleichtert in Kauf. Weiter geht`s mit Blaulicht.

Großenhain, 11.30 Uhr. Auf dem Kupferberg schließen sich 60 Schüler an. Der Zug bewegt sich nun brav auf dem Bürgersteig durch die Stadt. Das Ziel Hauptmarkt ändert die Polizei auf Schlossplatz. Ein Marsch durch Großenhains Straßen wird untersagt. Die Schülersprecherin der 1. Mittelschule Christin Pinkert ärgert sich. „Die Leute sehen immer nur zu. Wir dagegen wollen etwas gegen die Unmenschlichkeit tun und werden behindert.“ Die Ebersbacher sind gelassener. Ihnen stecken 15 Kilometer in den Beinen. In kleinen Gruppen ziehen sie zur Außenstelle des Gymnasiums, um sich zu zeigen. „Die Schüler da durften leider nicht mitmachen“, sagt Linda Holdt. „Vielleicht organisieren wir noch mal etwas nachmittags, mit allen Schulen.“ Dann geht sie müde und glücklich zum Bus.