Von Annett Preuß
Oma Schmiedel trickst. Sie schubst den Ball immer nur ein kleines Stück, läuft vorsichtig hinterher – in der Hoffnung, dass sie ihn wieder erhascht, sobald die Musik aufhört. Nicht so ihre Enkeltochter Anna-Marie. Die Vierjährige fegt wie ein Wirbelwind durch die Turnhalle in Mücka. Hier hat sich am Mittwoch im Rahmen der Gesundheitswoche eine Gruppe versammelt: Muttis mit ihren Kindern, die große Schwester mit kleinem Schwesterchen, ein Vati mit seinem Sohn und eben Oma und Opa Schmiedel, zwei Enkel im Schlepptau.
Erzieherin Andrea Ladusch aus Weißwasser hat viele Spiele im Gepäck, um den Eltern Anregungen zu geben, wie sie gemeinsam mit ihren Kindern Sport treiben können. Die meisten Mädchen und Jungen in Mücka sind zwischen drei und sechs Jahren, die Altersgruppe, die Andrea Ladusch auch erreichen möchte. Denn das Thema „Bewegungsförderung im Vorschulalter“ rangiert im Rahmen der 10. Sächsischen Gesundheitswoche im Niederschlesischen Oberlausitzkreis ganz oben: Auch hier sind viele Kinder in jungen Jahren schon zu dick – sechs Prozent der ABC-Schützen, ergaben die Einschulungsuntersuchungen, Tendenz steigend.
Nicht nur mit den Bällen – aus Zeitungspapier geknüllt – lassen sich die Kinder begeistern. Da verwandeln sich Mutti, Vati und Oma in eine Bank. Selbst die Jüngste jauchzt. Munter kriecht die Dreijährige unter der Mutti durch und versucht, auch über die „Bank“ zu klettern. Die großen Füße der Erwachsenen lassen sich gut verwenden. Die kleinen der Kinder drauf gestellt und gemeinsam vor und zurück gelaufen – das schult die Balance,und alle kommen mächtig ins Schwitzen. Dem kleinen Max kleben die Haare am Kopf. „Ja“, sagt er trotzdem aus tiefster Seele, als Andrea Ladusch fragt, ob es noch geht. Auch Oma Gisela Schmiedel hält mit. Ihr Mann Wolfgang beobachtet das sportliche Treiben mit Freude, aber lieber aus sicherer Entfernung.
Nach einer halben Stunde klammert keines der Kinder mehr ängstlich. Selbst das Schüchternste ist aufgetaut, reckt die Arme, rennt und singt. Als Andrea Ladusch auffordert, sich gegenseitig auf den Po zu schlagen, schallt Lachen in hundertfachem Echo durch die Halle.
„Das ist das Anliegen: Die Eltern sollen gemeinsam mit ihren Kindern etwas tun, Neues ausprobieren und dabei Spaß haben“, sagt Andrea Ladusch. Die 35-Jährige ist beim Jugendprojekt der Turmvilla Bad Muskau beschäftigt und selbst Mutter von zwei Kindern. Tags zuvor im Kinderland Weißwasser und Mittwoch in Mücka stellt sie sportliche Spiele vor, die sich zu Hause leicht nachmachen lassen. Die Hilfsmittel müssen nicht teuer sein, findet sie und verwendet Dinge, die jeder zu Hause hat: Becher, Seil, Zeitung, Putzlappen . . . Durch Weiterbildungen bringt sich die junge Frau auf den neuesten Stand. Doch Sport ist generell ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens: In der Freizeit betreut sie in Weißwasser eine Leichtathletik-Gruppe mit fünf- bis elfjährigen Kindern. Auch beim Tanzsportclub Kristall mischt Andrea Ladusch mit: Gut 20 Drei- bis Sechsjährige lernen hier tanzen. „Davon profitiere ich auch für meine Arbeit.“
In Mücka sind die Kinder nach einer Stunde noch voller Elan: Eine Bank hochziehen, durch einen Tunnel kriechen, einen richtigen Purzelbaum machen, über Reifen klettern und auf einem Seil balancieren, sind weitere sportliche Übungen. Nach knapp anderthalb Stunden setzt die Gruppe zum Endspurt an: mit einem furiosen Mannschaftsspiel. Bierdeckel sind von einer Seite auf die gegnerische zu befördern. Die Mannschaft mit den wenigsten ist schließlich Sieger, alle sind erschöpft. Fast alle. Denn die vierjährige Gina ruft: „Was machen wir jetzt?“
Andrea Ladusch verordnet Ruhe und Streicheleinheiten zu sanfter Musik: von den Großen für die Kleinen und umgekehrt. Manches der Kinder mag gar nicht mehr aufstehen, nicht einmal, als es eine Urkunde, einen Anstecker und ein Malheft gibt. Felix, mit zehn Jahren das älteste Kind, hat eine gesunde Gesichtsfarbe. Max ist geschafft. Oma Schmiedel auch. „Doch gefallen hat mir sehr“, sagt sie und sammelt ihre zwei – immer noch ziemlich munteren – Enkel Philipp und Anna-Marie ein.