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Spuren der Geschichte hinter stählernen Türen

Im Keller des heutigen Jugendkulturhauses von Boleslawiec (Bunzlau) befand sich einst ein Geheimdienstgefängnis.

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Von Katrin Schröder

Die Villa an der Grunwaldska-Straße ist schmuck und in frischem Sonnengelb gestrichen. Das Jugendkulturhaus von Boleslawiec (Bunzlau) hat hier seinen Sitz. Auch innen ist alles wie neu – fast. Dass das Gebäude auf eine bewegte Vergangenheit zurückblickt, zeigt sich vor allem beim Blick in den Keller.

In der Vergangenheit kennt Zdzislaw Bramiwicz sich aus. Der frühere Religionslehrer und heutige Leiter des Pfadfinderzentrums von Boleslawiec befasst sich mit der Geschichte seiner Heimatstadt – auch mit ihren dunklen Seiten. Zum Beispiel der Tätigkeit des Urzad Bezpieczenstwa (UB), zu Deutsch: Sicherheitsamt. So wurden die militärischen Einheiten des polnischen Sicherheitsministeriums genannt, die von 1944 bis 1956 bestanden.

Erst Gestapo, dann UB

Die UB war für Überwachung und Terror gegenüber den ehemaligen Soldaten der Armia Krajowa, der sogenannten Heimatarmee, und der politischen sowie der katholischen Opposition verantwortlich. In den ersten Nachkriegsjahren nutzte der UB die Villa, im Keller richtete er ein Gefängnis ein – wie die deutsche Gestapo, die zuvor in dem Gebäude herrschte.

„Das ist eine typische Tür“, erklärt Abramowicz – schalldicht, hergestellt von der Firma Kautz & Sohn aus Liegnitz, heute Legnica. „Die Gegenstände können viel erzählen“, sagt Abramowicz – was sie zu sagen hätten, wäre nicht angenehm. Gefangene saßen in Untersuchungshaft. In den wenigen Quadratmeter großen Zellen waren oft mehrere Dutzend Personen zusammengepfercht. Die meisten wurden beschuldigt, Feinde des neuen Staates zu sein – sie gehörten Organisationen an, die für die Unabhängigkeit kämpften, oder waren Deutsche, die der Untergrundorganisation Werwolf zugerechnet wurden. Die meisten, schreibt der Historiker Lukasz Orlicki, wurden zu Tode gefoltert. Zu den Inhaftierten gehörte auch der katholische Erzpriester Paul Sauer, der am 24. Juni 1946 nach zwei Monaten Haft starb.

An manchen Zellentüren sind gotische Ziffern erhalten, an den Wänden erkennt man Zeichnungen und Geschriebenes. „Inhaftiert am 19. März 1948“ liest Abramowicz vor. Daneben waagerechte Striche – der Gefangene hat die Tage gezählt, die er in Arrest überstanden hat.“ Das ist überall an den Wänden“, sagt Abramowicz. Auch im Erdgeschoss gibt es Spuren – etwa die gusseisernen Haken an der Decke der Toilette. Als die Villa noch ein Wohnhaus war, erklärt Abramowicz, war die ein Vorratsraum. Später benutzten Gestapo und UB die Fleischerhaken, um Gefangene an den Händen aufzuhängen und bis zur Bewusstlosigkeit zu prügeln.

Zeugnisse hinter Glas

Die Geschichte war lange vergessen. Doch die Historie soll einen Platz bekommen. MDK-Direktorin Ewa Lijewska würde im Keller gern ein Zimmer reservieren, in dem sich ein Geschichtsklub zu Filmabenden und Diskussionen treffen könnte. Auch was die Wände erzählen, soll erhalten werden – hinter Glas. „Wir wählen dazu die beiden am besten erhaltenen Zellen aus“, sagt Abramowicz. Was fehlt, ist Geld für die geschichtsgerechte Sanierung. Vielleicht, hofft Ewa Lijewska, finde sich ein deutscher Partner – dann wäre es leichter, EU-Förderung zu beantragen.