Warum bekommt ein Diktator den Semperopernball-Orden?

Diese Personalie sorgt für Unverständnis und heftige Kritik: Der ägyptische Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi ist mit dem St. Georgs Orden des Dresdner Semperopernballs ausgezeichnet worden. Dazu reiste eine Delegation des Semperopernball e.V. nach Kairo und übergab die Ehrung am Sonntag im Präsidentenpalast.
Mit dabei war auch der Vereinsvorsitzende und künstlerische Leiter des Semperopernballs Hans-Joachim Frey, wie die Presseagentur Zastrow & Zastrow auf sächsische.de-Anfrage bestätigt.
Bei der Veranstaltung am 7. Februar in der Semperoper wird Al-Sisi nicht persönlich dabei sein. Geplant ist aber, im Rahmen der Gala die Übergabe des St. Georgs Ordens per Video einzuspielen.
Autoritärer Regierungsstil
In der Laudatio heißt es: „Mit Abdel Fatah Al-Sisi ehren wir eine Persönlichkeit und einen Staatsmann, der als Präsident der Afrikanischen Union und ägyptischer Staatspräsident Hoffnungsträger und Mutmacher eines ganzen Kontinents ist. In herausragender Weise zeigt sich Abdel Fatah Al-Sisi als Brückenbauer und Friedenstifter in der von schweren Krisen gekennzeichneten nordafrikanischen Region, sucht den Dialog mit allen Parteien und ist für die Menschen und ihre Hoffnungen ein Anker."
In seiner Begründung stellt Ballchef Frey Al-Sisi in eine Reihe mit den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso und Jean-Claude Juncker, die ebenfalls Preisträger des St. Georgs Ordens sind.
Dabei steht Abdel Fatah Al-Sisi schwer in Kritik. Seit er sich 2013 selbst mit einem militärischen Staatsstreich an die Macht geputscht hat, gilt sein Regierungsstil als deutlich autoritärer, als der des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. Im Februar 2019 billigte das ägyptische Parlament eine Verfassungsänderung, dank der Al-Sisi potenziell bis 2034 im Amt bleiben könnte.
Unter Al-Sisis Regentschaft leiden besonders Regimegegner, oppositionelle Politiker, Aktivisten und Journalisten. Viele von ihnen werden inhaftiert oder entführt. Verschiedenen Menschenrechtsorganisationen zufolge ist die Zahl der Hinrichtungen in Ägypten stark angestiegen. Zwischen 2017 und 2019 sollen fast 100 Menschen getötet worden sein.
Michael Kretschmer bleibt diplomatisch
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der mit seiner Lebenspartnerin traditionell den Ball eröffnen wird, reagierte diplomatisch zurückhaltend. „Der Ball verleiht den Orden, nicht der Freistaat“, sagte er bereits am Freitag auf sächsische.de-Anfrage.

„Al-Sisi ist sicher kein Demokrat und es gibt viele Rechtsverstöße in Ägypten“, sagte Kretschmer weiter. „Al-Sisi leistet aber trotzdem eine wichtige Arbeit zur Stabilisierung des Nahen Ostens.“ Kretschmer räumte außerdem ein, dass ihm die geplante Preisverleihung bereits seit einiger Zeit bekannt war.
Ball-Chef Hans-Joachim Frey verteidigt unterdessen seine Entscheidung für Abdel Fatah Al-Sisi. Er sei der der am meisten gefragte Politiker, wenn es um Friedensverhandlungene auf der Welt geht. Das habe jüngst die Lybienkonferenz gezeigt. Vor allem stehe er für größtes Engagement in Sachen Kultur.
Aufgabe des Semperopernballes sei es, Brücken zu bauen, auch in Regionen, die schwer verständlich sind. Kultur gelinge das selbst in Ländern, die von außen betrachtet sperrig wirken. "Wir kommen an diesen Staaten nicht mehr vorbei und müssen es schaffen, solche Regierungssysteme zwar nicht zu achten, aber über die Kultur unsere Werte zu vermitteln." Und weiter: "Die Staatskanzlei ist auch glücklich, dass wir diesen Preis geben."
Dass man in der Staatskanzlei über die Entscheidung glücklich sei, davon könne keine Rede sein, hieß es jedoch aus Regierungskreisen.
Heftige Kritik und Unverständnis
Deutlich kritischer äußerte sich dagegen Sachsens Wirtschaftsminister und SPD-Chef Martin Dulig. "Der #Semperopernball nimmt sich seine Würde", schrieb er auf Twitter. Das handeln der Ball-Organisatoren sei unverantwortlich und beschämend.
Sachsens Justiz- und Demokratie-Ministerin Kaja Meier (Grüne) kritisierte die mangelhafte Transparenz bei der Preisvergabe. „Ich frage mich nicht zum ersten Mal, nach welchen Kriterien die Träger dieses Ordens ausgewählt werden“, sagte sie einer sächsische.de-Reporterin. „Es gibt genügend Menschen, die einen Orden verdienen, die etwas für die Gesellschaft und ihre Mitmenschen geleistet haben und fest auf dem Boden einer demokratischen Rechtsordnung stehen.“ Es könne bei einer Preisverleihung „doch nicht nur darum gehen, wie man den größten Pressewirbel erzeugt“, so Meier weiter.
Auch Holger Hase, Chef des FDP-Kreisverbandes in Dresden, meldete sich zu Wort. Er bezeichnete die Entscheidung als "Unding für jeden politisch urteilsfähigen Bürger."
Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach hat die Verleihung Ordens am Montag scharf kritisiert. „Der Semper-Orden könnte sich umbenennen in Orden wider Sinn und Verstand“, sagte der Gewerkschafter am Montag in Dresden. „Erst kürzlich hat die bei der UNO angesiedelte Internationale Arbeitsorganisation (ILO) die Verletzung der Vereinigungsfreiheit in Ägypten festgestellt. Ein neues Arbeitsrecht erschwert es Beschäftigten in dem nordafrikanischen Staat massiv, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen. Ganz abgesehen davon, dass dies ein Menschenrecht ist, unterminiert die Politik des ägyptischen Präsidenten den inneren sozialen Frieden in diesem krisengeschüttelten Land. Ein solcher Hintergrund hat nichts mit Kultur zu tun, sondern mit Diktatur“, sagte Schlimbach.
Petition gegen die Ordensverleihung
Die vielen kritischen Stimmen bündeln soll nun eine Petition, die sich gegen die Verleihung des St. Georgs Ordens richtet. In der Begründung dazu auf der Petitionsplattform Change.org heißt es: "In Anbetracht der Strahlkraft und Reichweite des Sempernopernballs, welcher die Stadt Dresden nach außen in Teilen repräsentiert, ist die Entscheidung ein falsches Signal und muss verhindert werden!" Allerdings wurde die am Wochenende gestartete Petition bis zum Sonntagmorgen nur von wenigen Dutzend Menschen unterzeichnet. (mit SZ/mja)