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Stadt schafft Straßenbeitrag ab

Damit werden Großröhrsdorfer Bürger entlastet. Aber erst ab 2020. In die Landespolitik kommt auch Bewegung.

Von Reiner Hanke
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In Großröhrsdorf werden Anwohner beim Straßenbau entlastet.
In Großröhrsdorf werden Anwohner beim Straßenbau entlastet. © dpa

Großröhrsdorf. Applaus in einem Ratsaal kommt nicht ganz so oft vor. In Großröhrsdorf war das jetzt der Applaus der Erleichterung und Zustimmung von Bürgern. Konkret von Anwohnern der Adolphstraße. Die sollten für den kommenden Straßenbau zur Kasse gebeten werden. Grundlage dafür ist die sogenannte Straßenausbaubeitragssatzung. Die war und ist noch bis zum Jahresende die Basis, um einen Teil der Kosten für bestimmte Straßenbauten durch Zahlungen von Anliegern zu decken. Seit 1994 gilt dieses Regelwerk. Seine Tage sind gezählt. Der Stadtrat beschloss jetzt, die Satzung per 1. Januar 2020 aufzuheben. Ab kommendem Jahr können also keine Anlieger zu Zahlungen mehr herangezogen werden.

Es sei der richtige Schritt, so Bürgermeisterin Kerstin Ternes. Den hatte letztlich auch der Druck der Bürger befördert. Zumindest wäre das Aus für diese Steuer wohl nicht so schnell gekommen. Noch Ende des Vorjahres wollte eine Ratsmehrheit vorerst daran festhalten. Allerdings berge der Ausstieg Risiken für die künftige Straßenfinanzierung, ließ Bürgermeisterin Kerstin Ternes auch jetzt wieder wissen. Die seien noch nicht abzuschätzen. Immerhin wurde seit 1994 rund eine Million Euro eingenommen und in Straßen investiert. Die Spielregeln hätten sich nun so verändert, so dass die Stadt auf Straßenbeiträge verzichten könne ohne Nachteile bei der finanziellen Ausstattung durch den Freistaat fürchten zu müssen. Es habe Veränderungen in der Rechtsprechung und bei den Förderrichtlinien gegeben.

Unterschiedliche Aussagen

Im zurückliegenden Februar war ein Antrag der Gemeinschaftsfraktion Freie Wähler Rödertal/SPD (FW/SPD) durch die Ratsmehrheit noch einmal von der Tagesordnung genommen worden, auf diese Abgabe zu verzichten. Im Grundsatz hatte es schon über Jahre eine gewisse Einigkeit im Rat gegeben, die ungeliebte Abgabe abschaffen zu wollen, ohne sich – zuletzt im Februar – in der Mehrheit dazu durchringen zu können. Peer Tomschke (CDU) begründete es so: Seine Fraktion wollte keinen unkontrollierten Ausstieg, ohne rechtliche Fragen und Risiken zuvor genau abzuwägen. Das sei nun geschehen. Es habe aber seine Zeit gebraucht, räumt Kerstin Ternes ein. So habe es durchaus unterschiedliche Aussagen zu den Folgen eines Ausstiegs gegeben. Auch über einen rückwirkenden Ausstieg sei diskutiert worden. Den werde es nicht geben, schließt Kerstin Ternes aus: „Das würde die Stadt überfordern. Eine absolute Gerechtigkeit gibt es nicht.“ Damit erhalten die Anwohner der Adolphstraße keinen Zahlungsbescheid mehr. Der wäre erst nach dem Jahresende fällig. Andere müssen noch damit rechnen. Dabei geht es um Beiträge, die noch an der Staatsstraße 158 anfallen, die bereits ausgebaut ist. Die werden noch erhoben. Der Ausstieg gelte für die Zukunft. Der Einnahmeverlust müsse anderweitig kompensiert werden, damit der Straßenbau finanzierbar bleibe. Wie blieb erst einmal offen. Allein bei der Adolphstraße gehe es um rund 200 000 Euro.

Die FDP-Fraktion erinnerte daran, schon vor zehn Jahren den Ausstieg gefordert zu haben. Damals sei die Gegenfinanzierung nicht gegeben gewesen. So räumt Dietrich Krause (CDU) ein, man habe sich schwergetan wegen der Klärung rechtlicher Bedenken . Die Gesamtfinanzierung der Stadt sollte nicht ins Wanken geraten.

Interessen der Bürger berücksichtigt

Doch die „Straßen sind Allgemeingut“, so Günter Hutschalik (FW). Deren Finanzierung könne nicht auf Einzelne abgewälzt werden, stellte er die Position seiner Fraktion klar. Er freue sich, dass beharrliches Festhalten an dem Thema Erfolg gebracht habe. Zugleich habe die Initiative von Anliegern gezeigt, was auch das Engagement von Bürgern bringen kann. Die bedanken sich beim Rat, der ihre Sorgen und Argumente sehr ernst genommen habe. Sie seien keine Rebellen, sondern immer bestrebt gewesen, auf der Sachebene und mit Respekt zu diskutieren. Das sei gelungen – mit einem positiven Ende.

Der Ausstieg berücksichtige Bürgerinteressen, den politischen Willen sowie die finanziellen Möglichkeiten, resümiert die Stadt und ist mit ihrem Beschluss durchaus unter den Vorreitern in Sachsen. Das kann in der Landespolitik nicht unbemerkt bleiben. Auch dort kommt offenbar angesichts anstehender Wahlen Bewegung in das Thema, da gerade diese Abgabe als ungerecht empfunden wird. Der Dachverband der sächsischen SPD-Kommunalpolitiker hat sich jetzt jedenfalls für eine generelle Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im Freistaat ausgesprochen.