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Stadthallen-Sanierung nimmt nächste Hürde

Der städtische Kulturservice kann nun als künftiger Betreiber loslegen. Doch ehe der Stadtrat sich darauf einigte, gab es Politiktheater vom Feinsten.

Von Sebastian Beutler
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Die Stadthalle soll in den nächsten Jahren saniert werden.
Die Stadthalle soll in den nächsten Jahren saniert werden. © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Eine Dreiviertelstunde hing das Schicksal der Stadthalle am seidenen Faden. So lange brauchte es, um die Zweifel der AfD-Fraktion im Görlitzer Stadtrat zwar nicht auszuräumen, aber doch so zu dämpfen, dass sie den nächsten Schritt bei der geplanten Sanierung der Görlitzer Jugendstilhalle nicht aufhielt.

Kritische Medienberichte über den Projektleiter

Die Zweifel wurden von Medienberichten ausgerechnet über den Mann genährt, an dem die Hoffnung vieler jetzt hängen: Henning Wossidlo. Ein ausgewiesener Kenner der deutschen Veranstaltungsbranche, langjähriger Leiter des Wiesbadener Kurhauses - eine der 1a-Adressen unter den deutschen Veranstaltungssälen - und zuletzt auch beteiligt an dem Bau des neuen Rhein-Main-Congress-Centers in Wiesbaden. Wossidlo soll nun als Projektleiter bei der Stadthallen-Sanierung einsteigen. Seine Aufgabe: Im Auftrag und unter dem Dach der städtischen Kulturservicegesellschaft soll er die Planung und den Bau der Stadthalle begleiten und deren spätere Eröffnung und Etablierung vorbereiten.  Ein Fulltime-Job, wie Bürgermeister Michael Wieler sagt: "Jeder Raum, jede Funktionalität müssen durchdacht werden. Das ist ein permanenter Arbeitsprozess mit erheblichem zeitlichen Aufwand."

Die Personalie Wossidlo ist bereits seit Wochen bekannt. Und bislang galt es eher als ein Glücksumstand, dass der Mann mit seinem Netzwerk für die Stadthalle arbeiten will. "Wir sollten dankbar sein, ihn für so wenig Geld zu bekommen", sagte noch am Donnerstagabend der frühere Fraktionsvorsitzende der Bürger für Görlitz, Rolf Weidle.  

Emsige Beratungen hinter verschlossenen Türen

Die AfD aber schreckten eben Berichte auf, die im Internet leicht zu finden sind und wo von Ungereimtheiten die Rede ist. Eine Dreiviertelstunde also wurde, um Wossidlos Rechte zu schützen, hinter verschlossenen Türen gesprochen. Es soll heiß hergegangen sein, unterirdisch sagen die einen, Verschwörungstheorien die anderen. Die AfD beriet sich dann auch noch einmal in der Fraktion, Oberbürgermeister Octavian Ursu kam hinzu. Am Ende ließ die AfD ihren Antrag fallen, mit dem sie die Stadt zwingen wollte, auf die Hilfe Wossidlos zu verzichten. Wohl auch, weil Ursu signalisiert hatte, ohne Wossidlo den Zeitplan nicht mehr zu schaffen. Er sieht eine fertige Planung im Herbst vor, um dann die zugesagten Fördermittel auch beantragen zu können. "Wir ziehen den Antrag zurück", sagte Fraktionschef Lutz Jankus nur. Und das Aufatmen auf der Bank von Oberbürgermeister Ursu sowie bei den beiden Geschäftsführern  der Kulturservicegesellschaft war riesig.

Mehrheit für nächsten Schritt stand in Frage

Im schlimmsten Fall, so hatte es zuvor im kleinen Kreis geheißen, hätte die AfD zusammen mit all den Stadträten gegen den nächsten Schritt zur Sanierung der Stadthalle stimmen können - und das wäre vermutlich eine Mehrheit gewesen. Schließlich wussten alle seit Dienstag, dass fünf Stadträte der Bündnisfraktion das Festhalten am Stadthallen-Projekt so lange ablehnen, wie nicht klar ist, was Corona finanziell für Görlitz bedeutet und ob sich die Stadt unter diesen Vorzeichen nicht übernimmt. 

Die drei Stadträte der Linkspartei  sind eh gegen das Vorhaben. Von Stefan Bley (Bürger für Görlitz) weiß man, dass er dem Ganzen skeptisch gegenübersteht, weil der Sänger Sorgen hat, dass die Stadt Görlitz später einmal die Stadthalle nur betreiben kann zulasten des Theaters und von anderen freiwilligen Leistungen. Er enthält sich daher zumeist der Stimme. Und zwei CDU-Stadträte, Thomas Leder und Gerd Weise, sind befangen: Der eine ist Chef des Stadthallen-Fördervereins, der andere Mitarbeiter des städtischen Kulturservices. 

Im Nachhinein erklärte zwar Lutz Jankus gegenüber der SZ, dass die AfD die Stadthalle nicht an der Personalie Wossidlo scheitern lassen wollte und dass es auch noch ein Gespräch der AfD mit Wossidlo geben soll. Aber die Fraktion hatte sich mit ihrer Forderung in eine schwierige Lage manövriert. Denn bislang galt sie als Anhänger einer Sanierung der Stadthalle. So machte sie den Weg mit dem Rückziehen ihres Antrages frei. Am Ende stimmten 25 Stadträte für den nächsten Schritt, acht dagegen - und Stefan Bley enthielt sich der Stimme.

Ursu: Gerade jetzt müssen wir investieren

Der Beschluss sieht vor, den städtischen Kulturservice mit der Beratung und Begleitung der Sanierung der Stadthalle zu beauftragen, langfristig sieht die Stadt in ihrer Tochtergesellschaft auch den Betreiber der Halle. Der OB kann mit dem Kulturservice darüber einen Vertrag abschließen, der Kulturservice kann loslegen. Um nicht nur Wossidlo, sondern auch weitere Ausgaben für diese Aufgabe zu finanzieren, muss der städtische Großvermieter Kommwohnen in diesem Jahr 246.000 Euro beisteuern. Für 2021 könnte ein Rückgriff auf Kommwohnen noch einmal erfolgen, aber eigentlich wollen das Ursu und Wieler mit dem nächsten städtischen Haushalt verhindern. 

Bei der Aufregung um die AfD spielte die politische Erklärung der fünf Mitglieder der Bündnisfraktion keine große Rolle mehr. Auch weil die fünf sehr zurückhaltend agierten. Nur Danilo Kuscher monierte, dass den Görlitzern kein reiner Wein über die wahren Kosten für die Betreibung der Stadthalle eingegossen wird. Dem widersprach Bürgermeister Michael Wieler aber energisch: Er selbst habe in mehr als zehn  öffentlichen Gesprächsrunden mit Bürgern über alle Details berichtet. Er schloss sich der Auffassung von Oberbürgermeister Octavian Ursu an, der gerade jetzt während der Unsicherheiten durch die Corona-Pandemie auf die Stadthalle setzt: "Wir müssen investieren und unsere Wirtschaft unterstützen. Und so ist es richtig, die Fördermittel in Höhe von 36 Millionen Euro, die von Bund und Land versprochen wurden, auch nach Görlitz zu holen. Es ist eine gute Sache, die wir weiterverfolgen."

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