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Standesamt ersetzt Bücher durch den Computer

Das Personenstandsregister aus Papier ist ein Auslaufmodell. Gebraucht werden die bis zu 140 Jahre alten Bücher aber noch sehr lange.

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Von Jens Hoyer

Hinter einer feuersicheren Tür stehen in einem schmucklosen Raum im Rathaus etliche Stahlschränke. Sie bergen das Leben vieler Generationen Menschen – zumindest die wesentlichen Punkte: Geboren werden, heiraten und schließlich sterben. Das alles ist in Deutschland auch ein bürokratischer Akt, schriftlich erfasst in Hunderten dicker Bücher.

Die Jahreszahl 1876 steht an einer der Schranktüren. Sie markiert den Beginn des einheitlichen Personenstandswesens im damals neu gegründeten Deutschen Reich. Diese papiergewordene Bastion der deutschen Bürokratie beginnt jetzt zu bröckeln. Seit einem Jahr wird in Döbeln ein elektronisches Personenstandsregister geführt. Die Computertastatur löst den Stift ab – aber noch nicht völlig.

Die dicken Bücher, von denen wirklich noch alle bis zum Jahr 1876 vorhanden sind, haben deshalb noch lange nicht ausgedient. Die Standesbeamtinnen der Stadt werden sie noch viele Jahre in die Hand nehmen, in ihnen suchen und die Eintragungen zu den erfassten Menschen aktualisieren müssen. Solange, bis der letzte von ihnen gestorben ist. Und dabei ist ganz egal, an welchen Ort in Deutschland dies geschieht. Das Personenstandswesen ist ein ausgeklügeltes System, das zum Beispiel verhindern soll, dass jemand heiraten kann, der schon verheiratet ist. Die Standesämter reichen sich die Informationen weiter. In absehbarer Zeit soll selbst das ganz ohne Papier passieren, erzählt die Standesbeamtin Irina Schädlich.

Vor vier Jahren war das elektronische Standesamt mit der Modernisierung des Personenstandswesens eingeführt worden. Seit einem Jahr arbeiten auch die Döbelner mit dem Computer. Alles, was in der Zwischenzeit an Geburten, Eheschließungen und Sterbefällen beurkundet wurde, muss nachträglich eingepflegt werden. Eine Arbeit, von der mit fortschreitender Digitalisierung vor allem die kommenden Standesbeamten profitieren. Sie müssen immer weniger in den dicken Büchern blättern und über manchmal kaum leserlichen Eintragungen rätseln, ob „Frieda“ nun mit oder ohne „e“ geschrieben wurde. „Manche der früheren Standesbeamten hatten eine Klaue“, erzählt Irina Schädlich. „Es gibt die eine oder andere Urkunde, über der wir zu dritt sitzen.“

Von den Personenstandsbüchern gibt es noch jeweils ein zweites Exemplar, das an einem anderen Ort, nämlich im Landratsamt, aufbewahrt wird. Das schützt vor „Datenverlust“. Bei der elektronischen Variante strebt man nach ähnlicher Sicherheit. Auch diese Daten werden per Internet an zwei verschiedenen Orten auf den Speichern abgelegt. Dort kann das Standesamt jederzeit auf sie zugreifen – wenn das Netz nicht streikt. Aber das ist erst an einem Tag im vergangenen Jahr vorgekommen, sagt Irina Schädlich.

Immer mehr Leute widmen sich auch der Ahnenforschung – und schon aus diesem Grund werden die alten Bücher noch nicht so schnell aus dem Alltag des Standesamtes verschwinden. Das Amt teilt sich in diese Arbeit. Bei Sterbefällen ist nach 30 Jahren das Stadtarchiv zuständig, bei Geburten nach 110 Jahren. Die Suche nach dem eigenen Herkommen ist eine sich selbst verstärkende Beschäftigung, erzählt Irina Schädlich. Die Leute wollen Auskunft über einen Vorfahren und entdecken dabei immer mehr von ihnen. Ganz billig ist es nicht, sich diese Daten aus den Büchern heraussuchen zu lassen. Zehn Euro pro Arbeitsstunde, maximal 100 Euro, kostet die Dienstleistung. Aber so viel Bargeld muss im Computerzeitalter niemand mit sich herumtragen. Seit kurzem kann man auch im Standesamt mit EC-Karte zahlen.