Hallo, Frau Dr. Schulze, wie geht’s?

Mir geht’s gut. Ich freue mich, dass der Föhn wenigstens hier in der Schweiz nun endlich den Winter wegbläst.
Was zieht Sie nach Bischofswerda?
Der Gedanke an Oskar Ernst Bernhardt, der dort 1875 geboren wurde und seine Jugend verbrachte. Die Nazis verwiesen ihn nach Ober-Kipsdorf, wo er 1941 starb. Auf Drängen seiner Witwe wurde er in Bischofswerda bestattet. 1949 wurde der Sarg exhumiert und am Vomperberg in Tirol beigesetzt, wo Bernhardt jahrzehntelang gelebt und als Abd-ru-shin seine Gralsbotschaft „Im Lichte der Wahrheit“ geschrieben hat. Dieser biografische Hintergrund zieht mich immer mal wieder nach Bischofswerda. Die Gralsbotschaft wurde von den Nazis verboten, weil sich Oskar Ernst Bernhardt nicht gleichschalten ließ.
Wie oft waren Sie denn schon hier?
Das kann ich gar nicht mehr zählen. Beim Umbau des Gambrinus-Hauses waren mein Mann und ich viele, viele Male dort. Ich fühle mich wohl in dem Ort. Ich mag es, wenn man so auf Menschen zugehen kann.
Das Kultur-Forum Gralswelt veranstaltet jetzt in Bischofswerda „drei Tage, die den Musen gehören“. Welche Muse küsst da wen?
Es sind keine speziellen Musen. Der Begriff der Muse stammt ja aus der Antike und ist verknüpft mit Kultur, Literatur und Musik. Ich hab mich bemüht, die Musentage möglichst breit anzulegen. So freue ich mich auch, dass zum Beispiel die Harfenistin Nora Koch von der Dresdner Philharmonie wieder zum Programm beiträgt.
Warum findet die Veranstaltung in Bischofswerda statt?
Das hat eben mit Bernhardt zu tun. Denn „der Gambrinus“ ist sein Geburtshaus. Sein Vater war dort der Wirt. Nach der Wende hat die Grals-Verwaltung für Deutschland Stiftung Gralswelt das Haus gekauft und aufwendig restaurieren lassen.
Das Kultur-Forum Gralswelt haben Sie zusammen mit anderen Künstlern gegründet. Was wollen Sie mit den Musentagen vermitteln?
Das Kultur-Forum bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der realen Welt und einem geistigen Oben. Es will vermitteln, dass zum irdischen Leben auch die Musen gehören und die Wendung zu einer höheren Instanz. Und wir stehen auch ein wenig in der literarischen Nachfolge von Bernhardt, der Schriftsteller war und als Bühnenautor unter anderem für das Theater in Mainz und Kassel wirkte.
Die internationale Gralsbewegung hat 10 000 Anhänger weltweit. Was besagt die Gralsbotschaft von Bernhardt?
Sie gibt Antwort auf Menschheitsfragen wie etwa die nach dem Sinn des Lebens, nach der Gerechtigkeit im Schicksal oder einem Weiterleben nach dem Tod. Die Erklärungen bauen auf Naturgesetzen auf, die in der realen Welt ebenso wirken wie im geistig-seelischen Bereich. Bernhardt trennt nicht grundsätzlich zwischen naturwissenschaftlicher und religiöser Suche nach Wahrheit. Denn die Naturgesetze sind auf ihre Weise ein Spiegelbild geistiger Gesetzlichkeiten wie sie beispielsweise durch die christlichen Zehn Gebote „auf den Punkt gebracht“ sind. Das bedeutet Arbeit an sich selbst. Die Gralsbewegung entstand aus einem losen Zusammenschluss von Lesern der Gralsbotschaft in den 1930er Jahren.
Die Lehre von Oskar Ernst Bernhardt ist eine Mischung aus christlichen und fernöstlichen Gedanken im „Lichte der Wahrheit“. Von welcher Wahrheit ist da die Rede?
Von der Schöpfungswahrheit. Das ist keine Wahrheit, die irgendjemand erfunden hat. Diese Wahrheit besteht in der Existenz der Schöpfung.
Wie bekannt ist Oskar Ernst Bernhardt heute in Bischofswerda?
Zuerst war er es wenig. Aber der Bekanntheitsgrad ist durch die Renovierung des Gambrinus gewachsen und durch unsere Vortragsreihen, die wir ein- bis zweimal im Jahr dort anbieten. Mögen auch die Musentage dazu beitragen.
Bernhardt alias Abd-ru-shin wollte keine neue Kirche oder Sekte gründen und die Gralsbewegung versteht sich als freie Gesinnungsgemeinschaft. Wie viele Anhänger hat sie in Bischofswerda?
Die Gralsbotschaft „Im Lichte der Wahrheit“ mit ihren 168 Vorträgen wird in hohen, mehrsprachigen Auflagen gedruckt und weltweit vertrieben. In Bischofswerda gibt es einen Gralskreis. Etwa 30 Leute treffen sich jeden Sonntag zur Andacht. Daran kann auf Anfrage teilnehmen, wer will. Damit lässt sich Ihre Frage aber nicht ganz beantworten. Es gibt Leute, die diesen Kontakt suchen, und es gibt andere, die die Gralsbotschaft lesen und es für sich dabei belassen. Wie viele das sind, wer weiß das schon?
In seiner Botschaft schreibt Bernhardt, es sei Gottes Wille, dass der Mensch sich zu einer Persönlichkeit entwickle mit Verantwortungsbewusstsein für sein Denken, Wollen und Tun. Wie viel von dieser Botschaft ist schon umgesetzt?
Das ist die Gretchenfrage. Es ist Aufgabe jedes Menschen, Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Jeder ist für sich selbst und für sein Tun verantwortlich, auch der Gesellschaft und seinem Schöpfer gegenüber, egal wo er lebt und welcher Religion er angehört. Deshalb ist die Gralsbewegung nicht unter einem bestimmten Dach einzuordnen, sie ist weltweit vertreten.
Steht an den Musentagen die Kultur oder die Gralsbotschaft im Vordergrund?
Natürlich stehen die Musen vorn dran. Vor drei Jahren gab es ja schon einmal Musentage in Bischofswerda. Mit großem Zuspruch. Auch diesmal haben wir mit Gegenwartsliteratur und Musik wieder ein interessantes Programm. Autor und Filmemacher Werner Huemer liest aus seinem jüngsten Buch. Und Martin Vesely reist mit seinem Chor aus Tschechien an. Er arbeitet an der Oper in Liberec und hat den Chor privat gegründet. Das sind doch tolle Geschichten. Das Forum macht halt schöne Kultur erlebbar.
Was wünschen Sie sich für die Musentage am kommenden Wochenende?
Möglichst viele Besucher, die an unseren Musen ihre Freude haben.
Gespräch: Constanze Knappe