Von Katja Schäfer
Aufräumen, bekommen, vergessen, verzieren – Wort um Wort füllt sich die Tafel, als die Schüler die Ergebnisse ihrer Hausaufgaben aufzählen. Trennbare und untrennbare Verben zum Thema „Sonntag“ waren gesucht. Doch Lehrerin Ilka Hübner gibt sich nicht mit dem einfachen Ansagen der Worte zufrieden. „Was verzierst Du?“, will sie von Katja wissen. „Das Zimmer“, antwortet dieses und bekommt daraufhin erklärt, dass es in dem Fall „schmücken“ heißt, man aber zum Beispiel Torten verzieren kann. „Ich verziere die Torte“, korrigiert sich das langhaarige Mädchen in fehlerfreiem Deutsch, aber mit deutlichem Akzent.
Katja gehört ebenso wie Shenja, Vadim, Roman und einige andere zur „DaZ“-Klasse, die es seit Beginn dieses Schuljahres an der Schirgiswalder Mittelschule gibt. „DaZ“ – das bedeutet „Deutsch als Zweitsprache“. Unter dieser Überschrift erlernen Aussiedler- und Ausländerkinder in kleinen Gruppen von rund zwölf Schülern die Deutsche Sprache. Ihre ersten anderthalb Schulmonate in Deutschland verbringen sie ausschließlich unter den Fittichen von Ilka Hübner. Die aus Hörnitz kommende Lehrerin widmet sich seit 1998 dieser Aufgabe. Bis Ende letzten Schuljahres war sie in Kirschau tätig. Da die dortige Mittelschule jedoch demnächst geschlossen wird, siedelte die Spezialklasse nach Schirgiswalde um.
Die Schülerinnen und Schüler sind ganz unterschiedlichen Alters. Und da es im Landkreis Bautzen nur einige wenige „DaZ“-Klassen gibt, kommen sie täglich aus den verschiedensten Orten in die Oberlandstadt. Nachdem sie in den ersten sechs Wochen zumindest die grundlegendsten Dinge der deutschen Sprache gelernt haben, werden die Kinder täglich nur noch zwei bis drei Stunden von Ilka Hübner unterrichtet. Den Rest des Schultages verbringen sie in ihren jeweiligen Klassen.
Maximal zwei Jahre haben die Mädchen und Jungen, die zum Beispiel aus Russland und Kasachstan, aber auch aus Vietnam kommen, Anspruch auf diese zusätzliche Sprachförderung. Doch nicht alle bleiben so lange unter Ilka Hübners Fittichen. Die Lehrerin entscheidet, wann ihre Schützlinge im Deutschen so fit sind, um durchweg am normalen Unterricht teilzunehmen. „Mein Ziel ist, dass diese Kinder die gleichen Chancen wie alle anderen haben, dass sie den Realschulabschluss schaffen, um beim Start ins Berufsleben nicht benachteiligt zu sein“, sagt Ilka Hübner und fügt im gleichen Atemzug an, dass das für die Mädchen und Jungen „ganz, ganz schwer“ sei.
Doch auch die Lehrerin selbst hat durchaus keine leichte Aufgabe. Schließlich kommen das ganze Schuljahr über neue Kinder in ihre Gruppen (und andere verlassen sie). Auch die vorhandenen Deutschkenntnisse unterscheiden sich deutlich. Dadurch muss sich die junge Frau, die selbst perfekt Russisch spricht, immer wieder auf das individuelle Niveau jedes Einzelnen einstellen. Das sieht zum Beispiel so aus: Zu Beginn der Stunde geht es um komplizierte grammatikalische Regeln. Oleg und Katja halten dabei ganz gut mit. Als die Lehrerin anschließend Fotos hochhält und die Kinder die jeweilige Sportart nennen sollen („Im ganzen Satz, bitte!“), weiß auch Roman gut Bescheid, der erst wenige Wochen in Deutschland ist.
„Ich möchte diese Tätigkeit auf keinen Fall mehr missen“, sagt Ilka Hübner, die für ihre Schützlinge nicht nur Lehrerin, sondern oft auch eine Art zweite Mutter in der neuen Heimat ist.