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Traf sich Stephan E. mit Nazis in Sachsen?

Der Tatverdächtige im Mordfall Lübcke soll in Mücka bei einem Treffen von Neonazi-Organisationen gewesen sein. Jetzt gibt es Zweifel, ob er es tatsächlich war.

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Bei dem Mann mit der weißen Kappe soll es sich um  Stephan E.  handeln. Laut Spiegel Online handelt es sich aber um eine Verwechslung. Im blauen T-Shirt ist Stanley R. zu sehen.
Bei dem Mann mit der weißen Kappe soll es sich um Stephan E. handeln. Laut Spiegel Online handelt es sich aber um eine Verwechslung. Im blauen T-Shirt ist Stanley R. zu sehen. © Pixelarchiv

Dresden/Kassel. Der Tatverdächtige im Mordfall Lübcke war möglicherweise doch nicht im März auf einem Neonazi-Treffen in Sachsen. Behörden in Hessen gehen nach dpa-Informationen von einer Verwechselung aus. Das ARD-Magazin "Monitor" hatte berichtet, dass Stephan E. an einem konspirativen Neonazi-Treffen in Mücka (Landkreis Görlitz) teilgenommen haben soll. Dort soll er dem Bericht zufolge zusammen mit Mitgliedern der Neonazigruppen "Combat 18" und "Brigade 8" fotografiert worden sein. Zuerst hatte "Spiegel Online" über die mögliche Verwechslung berichtet.

"Combat 18" wurde als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks "Blood and Honour" gebildet, das wiederum als zentrale Unterstützergruppe der Terrorvereinigung NSU gilt.

Der "Monitor"-Beitrag stützt sich auf Fotos, die das Magazin gemeinsam mit einem Gutachter ausgewertet hat. Doch nach dpa-Informationen hat sich inzwischen ein Mann bei den Ermittlern gemeldet, der auf den Fotos mit E. verwechselt worden sein soll. Laut Spiegel-Online handelt es sich dabei um Karsten H. Der 34-Jährige soll demnach zum Umfeld der Neonazi-Band "Oidoxie" gehören. Nach Informationen des Spiegel hat sich Karsten H. am Wochenende selbst bei der Polizei in Hessen gemeldet.

Eine Teilnahme von Stephan E. an dem Treffen hätte den Aussagen des Verfassungsschutzes widersprochen, dass E. in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr so deutlich als Rechtsextremist in Erscheinung getreten sei.

Der WDR erklärte, dass der "Monitor"-Redaktion das Identitätsgutachten des Sachverständigen für Fotoforensik vorliege. Das Gutachten spreche von "unwiderlegbaren Übereinstimmungen" und sehe "die Identität der Person Stephan E. als sichtbare Person auf den Lichtbildern als praktisch erwiesen" an. Bisher habe die Redaktion keinen Anlass, an der Seriosität dieses Gutachtens und seines Verfassers zu zweifeln. Die Redaktion prüfe derzeit die neuen Hinweise. Zuvor hatte die Rechercheplattform EXIF berichtet.

Das Treffen am 23. März 2019 in Mücka fand parallel zu dem Rechtsrock-Konzert in Ostritz statt. Ein Zufall? Auch am Wochenende vom 21. bis 23. Juni  wurde hier wieder das rechtsextreme SS-Festival gefeiert. Martin Döhring, Sprecher des Sächsischen Verfassungsschutzes, sagte der SZ, dass keinerlei in Mücka geplanten Veranstaltungen an diesem Wochenende bekannt sind. Vom März-Treffen in dem Ort bei Niesky mit rund 200 Teilnehmern wusste der Verfassungsschutz. Zum Fall Stephan E. wollte sich Döhring aufgrund laufender Ermittlungen nicht äußern. 

Die von Monitor ausgewerteten Fotos von dem Treffen in Mücka zeigen unter anderem auch Stanley R., der als eine zentrale Figur von "Combat 18" in Deutschland gilt. Er soll mit E. eine gemeinsame Vergangenheit in der Neonazi-Szene haben. Beide hatten zum Beispiel im Jahr 2002 gemeinsam an einer NPD-Wahlkampfveranstaltung teilgenommen. R. und elf weiteren Mitgliedern wird unter anderem der internationale Handel mit verbotenen RechtsRock-CDs und verfassungsfeindlichen, rechten Merchandise-Artikeln vorgeworfen.

Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser erklärte mit Blick auf den Bericht: "Es muss alles auf den Tisch, was der Verfassungsschutz zu Stephan E. wusste - oder eben nicht wusste." Anhänger von "Combat 18" gehörten zum radikalsten und gewaltbereitesten Flügel der Rechtsextremen. "Ein Teilnehmer an ihren Treffen kann eigentlich nicht vom Radar der Sicherheitsbehörden verschwunden sein", sagte Strasser. 

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha niedergeschossen worden. Dringend tatverdächtig ist E., der 45-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft stuft das Verbrechen als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein. 

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha niedergeschossen worden. Dringend tatverdächtig ist Stephan E., der 45-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft stuft das Verbrechen als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein. (dpa/SZ)