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Hilfe für den eigenen Tod

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum selbstbestimmten Sterben wird im Kreis Meißen als wichtiges Signal zur Selbstvorsorge verstanden.

Von Kathrin Krüger
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Sterbehilfe war schon 2014 im Bundestag ein Thema, als dieses Foto entstand.
Sterbehilfe war schon 2014 im Bundestag ein Thema, als dieses Foto entstand. © Rainer Jensen / dpa (Archiv)

Landkreis. Ein Letzte-Hilfe-Kurs der Caritas am 18. März in der Großenhainer Orangerie könnte unerwartet zum Magneten werden. Mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur organisierten Suizidhilfe gewinnt das Thema plötzlich an Aktualität. Mit dem Richterspruch wurde das Recht auf selbstbestimmtes Sterben  hervorgehoben. Im Landkreis Meißen hat man sich sofort damit auseinandergesetzt. 

Das Thema spielte gleich eine Rolle in der Geschäftsführer-Tagung der Diakonie Sachsen am Donnerstag. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist ein wichtiges Signal zur Selbstvorsorge", zitiert Diakonie-Geschäftsführer Hans-Georg Müller einen Standpunkt des sächsischen Wohlfahrtsvereins.

 "Das Gericht hat den Weg dafür geebnet, Beihilfe zur Selbsttötung straffrei zu stellen. Für viele todkranke Menschen und ihr ärztliches Fachpersonal ist das eine gute Nachricht", so die Diakonie.  Denn selbstbestimmt zu leben und zuletzt auch zu sterben, sei ein mehr als verständlicher Wunsch. Am Lebensende darauf zu bestehen, das Leiden als gottgegeben zu akzeptieren, sei anmaßend und unbarmherzig.

„Aber: Jeder Fall ist ein Einzelfall", so Hans-Georg Müller. Die Straffreiheit dürfe nicht dazu führen, dass auf alte oder sterbenskranke Menschen sozialer Druck ausgeübt wird, das eigene Leben aktiv zu beenden. 

Auch Diakonie-Chef Dietrich Bauer sieht die Gefahr, dass im Zuge des demographischen Wandels und der Zunahme alter und sterbender Menschen aus ökonomischen Gründen hospizliche und palliative Betreuung abgekürzt werden könnten. „Diese im Grund noch neuen Formen der Betreuung ermöglichen in vielen Fällen Lebensqualität bis zuletzt. Das kostet Geld – aber das Recht auf diese wichtigen Hilfen darf niemals infrage gestellt werden. Ein Geländer zum Schutz vor dieser schiefen Ebene wäre wünschenswert!“

 Die Diakonie rät deshalb dazu, mit einer Patientenverfügung vorzusorgen und darin sehr ausführlich darzulegen, wie man sich sein Lebensende vorstellt.

Nicht aus ökonomischen Gründen unter Druck setzen

Vor allem schwerst-kranke und chronisch leidende Menschen wünschen sich, ihrem Leben mit fremder Hilfe ein würdiges Ende zu setzen. Mit dieser Problematik ist auch der Caritasverband Meißen vertraut, der in der Ludwig-Richter-Straße einen ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienst unterhält. 

"Schon viele Jahre führt der Caritasverband in umfangreichen Hospizbegleiter-Kursen Interessierte an Fragen im Umgang mit Tod und Sterben heran", sagt Doris Walther. Nun möchte der Verband auch mit dem kompakten Letzte-Hilfe-Kurs noch mehr Menschen ermöglichen, Basiswissen und Orientierung für das Umsorgen sterbender Menschen zu erlangen. Ob diese letzte Hilfe auch Sterbehilfe sein kann, lässt die Caritas Meißen bislang offen. 

Konkreter wird Internistin und Allgemeinärztin Ulrike Philipp in Großenhain. Ob ein Arzt aktive Sterbehilfe geben kann, liege auch an ihm selbst, seinem Gewissen oder seiner Religion. "Auch jetzt schon war es möglich, mit einer Portion Schmerzmittel von großem Leid zu befreien", sagt die Ärztin. 

Jeder Arzt müsse gesetzeskonform und ethisch handeln. Er müsse vor allem die Geschichte des Patienten kennen. Vor eine solche "Einzelfallentscheidung", sei sie noch nicht gestellt worden, so Ulrike Philipp. Fakt sei aber, dass man chronische Krankheiten niemals heilen kann. 

Dass das Lebensende und das Sterben Mitmenschen hilflos machen, weiß man auch beim Verein ZIP Weinböhla, Initiative für eine zentralisierte, integrative Palliativversorgung. Hier ist Ärztin Ute Hartenstein nicht wirklich glücklich mit dem Urteil. "Ich verstehe mich nicht als Sterbehelfer", sagt sie. Denn es gehe oft um Angst, und die könne man mit Gesprächen und intensiver Begleitung lindern. 20 bis 40 Sterbende betreut sie pro Monat. 

In ihrer fünfjährigen Erfahrung habe es nur einen Mann gegeben, der sich mit einer Überdosis Tabletten umbringen wollte, weil er fortgeschrittenen Krebs hatte. "Der Mann ist gestorben, aber es ist nicht wirklich glatt gelaufen", sagt Ute Hartenstein bedauern. Es werde nun wieder häufiger Anfragen dazu geben, aber eben auch kritische Stimmen, die vor einer "freien Bahn für Sterbehilfeorganisationen" warnen. 

Auch an die SAPV Plus gGmbH in Dresden kann man sich wenden, wenn man Orientierungs-, Planungs-, Entscheidungs- und Bewältigungshilfe vor dem Tod braucht. 

Letzte-Hilfe-Kurs der Caritas in der Orangerie Großenhain (Eingang über Topfmarkt) am 18. März  von 17 bis 21 Uhr. Anmeldung und Informationen unter Telefon 03521 40675120 bzw. unter der E-Mail-Adresse [email protected].