Über 100000 Menschen fielen zwischen 1939 und 1941 dem Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten zum Opfer. Unter dem Deckmantel „Gnadentod“ wurden damals geistig Behinderte, aber auch seelisch und psychisch Kranke weggesperrt und systematisch ermordet. Die Dresdnerin Marie war eine von ihnen und gibt den Tausenden unbekannten Opfern ein Gesicht.
Marie war 28 Jahre alt, als sie sich wegen einer Stoffwechselerkrankung im Gehirn – Schizophrenie – für Jesus hielt. Sie kam zunächst ins Arnsdorfer Krankenhaus und starb 1942 unter mysteriösen Umständen in Großschweidnitz. Lange blieb Maries Schicksal ungeklärt. Stern-Autorin Kerstin Schneider hat die Geschichte ihrer Großtante Marie vor einiger Zeit aufgearbeitet und 2008 veröffentlicht. „Maries Akte“ beschreibt, wie die junge Frau im Arnsdorfer Krankenhaus zwangsernährt und mit Insulinschocks gequält wurde. Wie sie nach der Machtübernahme durch die Nazis als „lebensunwertes Leben“ abgestempelt, zwangssterilisiert und vermutlich für Malaria-Versuche missbraucht worden ist.
Am 24. September stellt Kerstin Schneider ihr Buch in Arnsdorf vor. Sie liest im Krankenhaus – dort wo ihre Großtante Marie vor mehr als einem halben Jahrhundert behandelt worden ist. In Hubert Heilemann, ärztlicher Leiter des Krankenhauses, habe sie dabei einen offenen Ansprechpartner für das brisante Thema gefunden, sagt Kerstin Schneider.
Die Lesung ist Teil des Kliniktages, mit dem Krankenhaus und der Verband der Angehörigen psychisch Kranker den Austausch zum Thema seelische Erkrankungen ermöglichen wollen. (ihg)
Die Lesung findet am 24. September, ab 16 Uhr, im Kulturhaus des Krankenhauses statt. Der Kliniktag für Angehörige psychisch Kranker beginnt bereits um 14 Uhr mit Vortrag und Gesprächsrunde. Eintritt ist frei.