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Steter Tropfen höhlt die Leber und das Leben

Ein Seminar für Angehörige Alkoholkranker führte die Suchtberatungs- und -behandlungsstelle „Löwenzahn“ der Arbeiterwohlfahrt Weißeritzkreis und des Diakonischen Werkes Dippoldiswalde am vergangenen Freitag durch.

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Von Frank Willberg

Die Weltmeisterschaft im Bier-Trinken und Alkohol-Konsum wird nicht ohne uns Deutsche entschieden. Die Kehrseite sind 2,5 Millionen Alkoholkranke, 1,5 Millionen missbrauchen Medikamente. Die Zahlen beim Tabak sind ähnlich düster. Im Weißeritzkreis leben zirka 7 000 Alkoholkranke.

Gut zehn Angehörige von Betroffenen füllen den Raum der AWO Weißeritzkreis. An Fragen und Einwürfen wird ihr Wissensdurst schnell deutlich. Steffi Melzer, Psychologin bei „Löwenzahn“, geht es zuerst um „Informationen darüber, was diese Krankheit anrichten kann.“ Ursachen, Verlauf, Therapiemöglichkeiten und zahlreiche Beispiele sind ein Punkt. Der andere zielt auf die Frage, wie Angehörige oder Freunde die Betroffenen rechtzeitig zur Beratung bekommen.

Denn Alkohol tötet zuverlässig, wenn auch schleichend. Und die Sucht ist eine Krankheit, die sich keinesfalls mit einem starken Willen bekämpfen lässt. Das Leugnen und Selbstbelügen ist dabei Teil der Krankheit. Vier von fünf Alkoholkranken verhalten sich ohnehin komplett unauffällig, sagt Christian Schäfer, Sozialtherapeut bei „Löwenzahn“. Die Einsicht kommt weder für sie, noch für ihre Familien und Freunde leicht. Aber dieser Einsicht bedarf es.

Hinter dem Alkohol steckt ein anderes Problem

Lediglich 20 Prozent der Alkoholkranken rutschen einfach so in die Sucht. Der große Rest kämpft eigentlich gegen etwas an. „Hinter Alkohol steckt immer noch ein größeres Problem“, so Schäfer. Dr. Klaus Richter von der Suchtklinik Elbingerode fand heraus, dass sich drei von zehn Probanden nach dem Genuss von Alkohol besser fühlten. Demzufolge beginnt der Krankheitsverlauf mit einer scheinbar erfolgreichen Problemlösung, gefolgt von seelischer Abhängigkeit und peu á peu steigender Dosis. Die schädlichen Konsequenzen beginnen, erscheinen aber noch vergleichsweise klein.

Mit der organischen Abhängigkeit, Alkohol als Notwendigkeit, „ordnet sich das ganze Leben dem Alkohol unter“, betont Melzer. „Es ändert sich alles in der Familie.“ Von allein wird es nie mehr besser. Damit Alkoholkranke, ihre Familien und Freunde daran etwas zu ändern bereit sind, muss der Fakt der Sucht offen eingestanden werden. Die negativen Konsequenzen müssen dem Kranken von seinem Umfeld sachlich und wiederholt vor Augen gehalten und gegebenenfalls schonungslos erhöht werden. Dieser Druck, diese Erpressung ist der einzige Weg, betont Melzer.

„Das ist ja eine haarscharfe Gratwanderung“, kommt es aus dem Publikum. Aber die Alternative ist früher oder später der Absturz und frühzeitige Tod.

Mit einem Lichtenberg-Zitat hatte Melzer das Seminar eröffnet: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber soviel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“ Dass die Kraft, tatsächlich etwas zu ändern, von zentraler Bedeutung ist, haben Schäfer und sie in knapp drei Stunden deutlich gemacht. Obschon Alkohol allgemein akzeptiert ist, wissen wir ja eigentlich um die Probleme. Selbst die Alkoholkranken sind im Bilde, freilich ohne es zuzugeben. Aber „eigentlich hält sich jeder raus“, stellt ein Teilnehmer bitter fest. Und so komme kein Suchtkranker zu einer professionellen Behandlung.

„Löwenzahn“: Am Glaswerk 12, 01705 Freital 0351-6493528

Niedertorstraße 5, 01744 Dippoldiswalde 03504-618965

[email protected]

Stop! - für illegale Drogen: 0351-6526522 oder im Internet: [email protected]