Stiftung Warentest rät von Vergleichsportal “Verivox” ab

Die Versprechen sind groß. „Bis zu 720 Euro sparen pro Jahr“, wirbt das Portal Verivox derzeit auf seiner Startseite. „Über 1.000 Stromanbieter“ und „mehr als 22.000 Tarife“ seien gelistet. Darüber in fetten Lettern der Hinweis: „Stromvergleich mit Empfehlungen der Stiftung Warentest“.
In der am Freitag erschienenen Ausgabe der Zeitschrift Finanztest, die von der Stiftung Warentest herausgegeben wird, kommt Verivox allerdings nicht so gut weg. Wechselwilligen Strom- und Gaskunden werde die Verwendung des Verivox-Rechners nicht mehr empfohlen, heißt es da. Grund dafür seien geänderte Voreinstellungen auf der Plattform. Demnach haben die Portalbetreiber im Dezember fast alle voreingestellten Filter bei der Erstabfrage abgeschafft. Das führt laut Stiftung Warentest dazu, dass Nutzer per Standardsuche nicht immer den tatsächlich günstigsten Tarif auf Platz eins angezeigt bekommen.
Ihre Kritik belegen die Experten mit Daten aus einer Stichprobe, die sie in den letzten fünf Januartagen gezogen haben. Im konkreten Fall sollte ein günstiger Stromanbieter für einen Vier-Personen-Haushalt in Berlin gefunden werden. Als jährlicher Verbrauch wurden 3.500 Kilowattstunden angesetzt. Laut Finanztest landete an allen Tagen ein 24-Monats-Tarif von Immergrün auf Platz eins. Hinter dieser Marke steht die 365 AG, ein Energiediscounter mit Sitz in Köln. Besonderheit des Tarifs: ein Neukundenbonus von 284 Euro fürs erste Vertragsjahr. Die Immergrün-Offerte schaffte es aber nur deshalb ganz nach oben, weil Verivox den Preis fürs erste Vertragsjahr – abzüglich Bonus – als entscheidendes Ranking-Kriterium definierte. „Betrachtet man den Gesamtpreis für 24 Monate, findet man auf den Plätzen vier bis zwölf andere Tarife, die billiger sind als der Erstplatzierte“, so Finanztest. Maximal habe der Preisvorteil bei 71 Euro gelegen.
Neue Filterregeln sorgen für Kritik
Mit den neuen Voreinstellungen ist Verivox von der bisherigen Praxis abgerückt, standardmäßig nur Verträge mit zwölfmonatiger Laufzeit zu listen. Das sehen die Finanzexperten kritisch. Vergleichsrechnungen hätten gezeigt, dass sich Verträge mit 24-monatiger Laufzeit in der Regel nicht lohnten. Günstiger sei es, zwei Verträge über je zwölf Monate abzuschließen, um doppelt Boni abzufassen.
Verivox verteidigt die veränderten Filterregeln. Ein Firmensprecher sagt, die alten Standardeinstellungen seien der zunehmend heterogenen Tariflandschaft nicht mehr gerecht geworden. „Als Vergleichsportal stellen wir die gesamte Bandbreite des Marktes dar – dazu gehören auch Verträge mit längerer Laufzeit.“
Portalbetreiber arbeiten intransparent
Fragt sich nur, ob der durchschnittliche Anwender so mündig ist, wie Verivox es behauptet. Verbraucherschützer sehen hier eher Probleme. Viele Anwender seien sich nicht bewusst, dass Portale wie Verivox oder Check24 ihr Geld mit der Vermittlung von Verträgen und Werbung verdienen, sagt Katja Henschler von der Verbraucherzentrale Sachsen. „Deren Auskunft ist also kein per se objektives oder richtiges Ergebnis.“ Hinzu komme, dass die Kriterien, anhand derer die Portalbetreiber ihre Trefferliste erstellen, für Nutzer intransparent seien. Unerlässlich sei es daher, nicht nur mit klug gewählten Voreinstellungen, sondern immer auf mehreren Vergleichsportalen zu suchen, so Henschler. Anschließend sei noch per Onlinerecherche zu prüfen, ob der bevorzugte Anbieter bisher mit unseriösem Geschäftsgebaren aufgefallen sei.
Generell, das zeigt eine im Januar veröffentlichte Verivox-Analyse, sind die Sachsen eher wechselfaul, wenn es um ihren Stromversorger geht. Nimmt man für die Häufigkeit des Anbieterwechsels einen Bundesdurchschnitt von 100 Punkten an, lag dieser Indexwert 2019 in Sachsen bei 83. Nur Bremen liegt mit 63 Punkten noch darunter. Die wechselfreudigsten Kunden sieht Verivox in Rheinland-Pfalz (126) und Niedersachsen (114).
Bequemen Kunden rät die Stiftung Warentest zu Tarifoptimierern. Dienste wie SwitchUp oder Cheapenergy24 übernehmen die regelmäßige Wechselprozedur. Manche Anbieter berechnen für diesen Service eine Gebühr, andere bieten ihn kostenlos an und finanzieren sich über Wechselprovisionen der Stromanbieter.