Von Reiner Hanke
Die Generation Handy weiß wahrscheinlich kaum noch, wozu jene Häuschen in Gelb oder Magenta und Grau auf Plätzen und an Straßen gut sind. Die Deutsche Telekom möchte sie am liebsten abschaffen: die Telefonzellen. Die meisten sind in den vergangenen Jahren schon verschwunden. Jetzt setzt die Telekom erneut zum Angriff auf die kostspielige und deshalb ungeliebte Zelle an. Denn, so ist aus dem Unternehmen zu erfahren, die Umsätze seien nur noch gering. Der Siegeszug des Handys sei der Tod der Telefonzelle. Außerdem gehe der Vandalismus an den Telefonzellen enorm ins Geld. Einfach wegreißen darf die Telekom die Häuschen aber nicht. Sie muss die Grundversorgung bei der öffentlichen Telefonie absichern und kann nur mit Zustimmung der Kommunen Telefonzellen wegrationalisieren.
Mit diesem Ansinnen wandte sich die Telekom jetzt über den Städte- und Gemeindetag an Kommunen. So kam auch in Pulsnitz die Bitte an, alle Standorte durchzugehen, welche Telefonzellen entbehrlich wären. Die Zwangslage der Telekom sei der Stadt bewusst, hieß es jetzt im Technischen Ausschuss. Die Mitglieder zeigten sich kompromissbereit. Denn, was an den Zellent immer wieder in Ordnung zu bringen ist, so Stadtrat Andreas Schieblich, sei nicht mit Einnahmen aus den Telefongesprächen einzuspielen. Das sah mal anders aus. Dieter Scheffler ist der Fachdienstler Technik im Rathaus. Er erinnert sich noch daran, wie froh die Pulsnitzer waren, als nach der Wende die ersten neuen Telefonhäuschen anrollten. Denn das Telefonnetz der DDR ließ arg zu wünschen übrig: „Wir hatten dann ein sehr dichtes Netz an Telefonzellen, es waren 20 bis 25“, so Scheffler. Davon sei nur noch ein kleiner Rest übrig. Die Telefonzelle ist vom Aussterben bedroht, aber noch nicht tot. In Pulsnitz gibt es noch genau fünf Stück: an der Wittgensteiner Straße, an der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße, an der Kamenzer Straße, am Bahnhof und am Ziegenbalgplatz.
Nur magere Einnahmen
Wirklich einträgliche Telefonzellen gebe es gar keine mehr, so Fachbereichsleiterin Silvia Rauch. Selbst bei den vergleichsweise gut gehenden Pulsnitzer Apparaten liegen die Tageseinnahmen nur bei mageren 50 Cent. Es sei verständlich, dass die Telekom hier wirtschaftlich unter Druck stehe. Aber die Umsätze können für die Stadt nicht das alleinige Entscheidungskriterium sein, so Rauch. „Wir müssen auch eine klare Position im Sinne der Bürger beziehen.“ Außerdem sei ein aufgegebener Standort in der Regel für immer verloren. Gerade im Stadtzentrum sei ein öffentliches Telefon für Touristen wichtig, schätzt Rauch ein. Das sei unverzichtbar. Ebenso wie der Fernsprecher am Bahnhof. Silvia Rauch: „Dort gibt das Telefon gerade auch am Abend ein Gefühl der Sicherheit für Bürger und Gäste.“ Die Möglichkeit ein Taxi zu rufen oder Angehörige über die Ankunft zu verständigen, kommt hinzu. Außerdem seien öffentliche Fernsprecher für Notfallsituationen unentbehrlich. So will die Stadt auch die Telefonzelle an der Külzstraße behalten. Das hat auch etwas mit dem Spielplatz dort zu tun. Die Ausschuss-Mitglieder verständigten sich schließlich darauf, zwei Standorte aufzugeben: Kamenzer Straße und Wittgensteiner Straße. Die Kamenzer Straße werde besonders wenig genutzt. Ohnehin sei das Bahnhofstelefon ganz in der Nähe. Wegen des Fernsprechers an der Wittgensteiner Straße habe sich die Stadt mit der benachbarten Helios-Klinik verständigt. Patienten hätten die Möglichkeit, in der Klinik selbst zu telefonieren. Außerdem ist der Ziegenbalgplatz nicht weit. Mit drei öffentlichen Fernsprechern verfüge die Stadt immer noch über einen vergleichsweise guten Schnitt, schätzt Silvia Rauch ein. Manche Kommunen würden das traditionelle Telefonhäuschen durch moderne Kommunikationsstellen ersetzen, weiß die Fachbereichsleiterin. Die verfügen über Internet und bieten touristische- und Verkehrsinfos. Solche Kommunikationsstellen würden im Trend liegen, seien aber für Pulsnitz unerschwinglich.
In Großröhrsdorf liegt der Stadt aktuell kein Bitt-Briefe vor wie in Pulsnitz. Allerdings habe es in den vergangenen Jahren immer wieder Anfragen zu einzelnen Telefonzellen gegeben. So sei das Netz im Rödertal eher schleichend dünner geworden. Gerade die Zellen in den Wohngebieten seien durch den Ausbau des Festnetzes hinfällig geworden. Heute gibt es nur noch die Telefonzelle am Rathaus. An der halte die Stadt aber fest, so Bauamtsleiterin Regina Spangenberg. So dass auch Leute, die ohne Handy unterwegs in Großröhrsdorf sind, wenigstens eine Chance zum Telefonieren haben. Dass Pulsnitz noch besser ausgestattet sei, habe sicher etwas mit dem Tourismus und Klinikstandort zu tun.
In anderen Gemeinden der Region sind Telefonzellen schon lange ein Luxus, den es nicht mehr gibt. In Steina gibt es keine Telefonzelle mehr, ebenso in Ohorn, Großnaundorf und Bretnig-Hauswalde. Auch in Lichtenberg wurde im vorigen Jahr die Telefonzelle abgebaut.