Von Andreas Weller
Es war eine konstruktive Runde, das bestätigen alle Seiten. Gestern haben sich die Parteichefs von Linken, Grünen und SPD zur zweiten Verhandlung in der „Grünen Ecke“ am Bischofsplatz getroffen. Bei Kaffee, Pfefferminztee und Wasser wurde sozusagen die Machtübernahme im Dresdner Stadtrat ausgelotet. Doch die Stimmung war anfangs irritiert. Die Fraktionschefin im Landtag und Dresdner Direktkandidatin, Antje Hermenau, hatte für ein Störfeuer gesorgt. Wenn das Schuldenverbot von den Linken nicht eingehalten werde, können die Grünen auch mit der CDU verhandeln, hatte sie öffentlich geäußert. Das sorgte vor allem bei den Grünen intern für ziemlichen Ärger.
Am Abend vor der gestrigen Verhandlungsrunde hatten die Grünen deshalb eilig ihren Stadtvorstand einberufen und einen Maulkorb für Hermenau beschlossen. Im Originaltext, den der Vorstand beschloss, heißt das: „Der Stadtvorstand stellt fest, dass Antje Hermenau für ihre öffentlichen Äußerungen kein Mandat hatte. Ihre Spekulationen über mögliche inhaltliche Differenzen eines Bündnisses jenseits der CDU sind aus der Luft gegriffen und dazu geeignet, als Störung der Gespräche interpretiert zu werden.“ Außerdem wurde festgelegt, dass nur die Chefs der Partei und der Stadtratsfraktion die Gespräche zu Rot-Rot-Grün kommentieren dürfen. „Der Vorstand hat festgelegt, dass Frau Hermenau sich nicht einzumischen hat. Sie hat keine Deutungshoheit für die Stadt Dresden“, so Parteichef Michael Schmelich.
Reue und Öl ins Feuer
„Das ist völlig in Ordnung“, so Hermenau gestern: „Ich habe mich dazu nicht zu äußern.“ Sie habe aber auch nur auf Partei- und Fraktionsbeschlüsse hingewiesen, die eine Neuverschuldung untersagen. Die Gefahr von neuen Schulden sehen Kritiker allerdings durch Kredite für Schulsanierungen, wie sie die Linke fordert oder den Bau städtischer Wohnungen. „Bei den Grünen gilt die Schuldenfreiheit, da bin ich mir sicher“, so Hermenau: „Ich vertraue Eva Jähnigen.“ Neben der Parteichefin erwähnt sie aber Schmelich nicht, was auch als Misstrauen verstanden werden kann. „Das beruht auf Gegenseitigkeit“, so Schmelich.
Vom Zoff bei den Grünen sollen die Kooperationsverhandlungen aber nicht überschattet werden. So spricht SPD-Chefin Sabine Friedel von „Gesprächen zwischen drei gleichberechtigten Partnern“: „Wir wollen keine lose Vereinbarung, aber auch keinen Koalitionsvertrag – irgendwas dazwischen.“ Etwas, das auch Luft lasse für unterschiedliche Auffassungen und die anderen Fraktionen einbeziehe. Ein Papier dazu soll bis zur ersten Sitzung des neuen Stadtrates am 4. September fertig sein. Arbeitsgruppen sollen bis Ende Juni den Rahmen dafür schaffen und vorlegen.
„Wir sind noch nicht so weit, dass wir über einzelne Themen diskutieren“, so Linke-Chef Tilo Kießling. Ob beispielsweise bei der Königsbrücker Straße eine allgemein formulierte schmalere Variante festgelegt werde oder es in Details gehe, stehe noch nicht fest. Beim Thema Globus am alten Leipziger Bahnhof hänge es beispielsweise davon ab, ob noch der derzeitige oder der künftige Rat darüber abstimme. Bei dem Thema hatten sich mehrere Linke enthalten, während SPD und Grüne komplett dagegen sind. Auch über die geplante Hafencity müsse man reden.
Die drei Parteien wollen, sobald sich ihre neuen Fraktionen konstituiert haben, die Stadträte einbinden. Bis September sollen auch eine neue Hauptsatzung und eine Geschäftsordnung abgestimmt sein. So könnte es künftig beispielsweise einen Bildungsausschuss geben. Derzeit sind Schulen und Kitas in zwei unterschiedlichen Ausschüssen verteilt. Auch könnten mehr sachkundige Bürger dauerhaft in die Gremien berufen und Sitzungen der Ausschüsse und Beiräte öffentlich abgehalten werden. Zudem sollen Mitglieder der Ausschüsse von den Fraktionen benannt und nicht mehr wie bisher vom Stadtrat gewählt werden. Das spare viel Zeit. Über die 2015 zur Wahl stehenden Bürgermeisterposten habe man noch nicht diskutiert.
Insgesamt seien die Verhandlungen auf gutem Weg. „Alle drei Parteien wissen um die Chance für die Stadt und die Verantwortung“, so Kießling. Friedel hält es für unwahrscheinlich, sich nicht zu einigen. Für die kurze Zeit sei man weit, ergänzt Schmelich. Das habe auch Hermenau nicht gefährdet. „Es wird in jeder Partei Einzelne geben, die die Zusammenarbeit kritisch sehen“, so Kießling.