Von Andreas Novak
Seit dem Frühjahr schwelt die so genannte „Krankenhaus-Affäre“ um den Stollberger Landrat Udo Hertwich. Dieser steckt bis zum Hals in einem Sumpf von Korruptionsvorwürfen. Jetzt wird es für den CDU-Politiker richtig brenzlig: Sogar die eigenen Parteifreunde vor Ort fordern seinen Rücktritt. Man habe kein Vertrauen mehr, begründete Rainer Unfried, Chef der CDU-Kreistagsfraktion, auf der Kreistagssitzung vergangene Woche. Auch in der Opposition glaubt niemand mehr an Hertwichs Unschuld. Nun steht der Landrat allein gegen den gesamten Kreistag.
Hertwich wird vorgeworfen, seinem Sohn und einer befreundeten Unternehmerfamilie bei der Privatisierung des Stollberger Krankenhauses Vorteile zugeschanzt zu haben. Die Einrichtung war von einem Eigenbetrieb des Landkreises in eine gemeinnütziger Gesellschaft umgewandelt worden. Was eigentlich nicht ungewöhnlich ist: Durch das Auslagern von Eigenbetrieben in Firmen des privaten Rechts erhofft sich die öffentliche Hand flexibleres, im Idealfall sogar wirtschaftlicheres Arbeiten.
Übles Geschäft hinter Rücken des Kreistags
Doch der Fall in Stollberg hat von Anfang an einen üblen Beigeschmack. Nicht nur, dass Hertwich-Sohn Jörg an der Spitze des neuen Mehrheitsgesellschafters steht und der Rest an die mit den Hertwichs eng befreundete Familie Müller ging – das Geschäft fand obendrein hinter dem Rücken des Kreistags statt. Als das Regierungspräsidium Chemnitz dessen Information anordnete, machten die Kreisparlamentarier das anrüchige Geschäft teilweise rückgängig und kauften Anteile zurück.
Im Laufe der Zeit wurden dann immer mehr Vorwürfe gegen Landrat Hertwich laut: Zum Beispiel soll der Landkreis ein Grundstück, das für ein Pflegeheim genutzt werden soll, zum Schnäppchenpreis verkauft haben – bereits wenige Tage, bevor der Kreistag den Verkauf überhaupt beschlossen hat. Der Landrat soll sich zudem in einem Firmengeflecht in den Altbundesländern verheddert haben.
Und weitere Verschwörungstheorien wuchern im Landkreis Stollberg: Der ehemalige Vorsteher des dortigen Finanzamtes – angeblich ein sehr guter Freund der Hertwichs und Müllers – soll sich in die Karibik abgesetzt haben. Der Oberfinanzdirektion Chemnitz sind hingegen keine Unregelmäßigkeiten des auf eigenen Wunsch ausgeschiedenen Beamten bekannt.
Hertwich will sich immer noch an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen, den er als „unberechtigte Anschuldigungen und unzulässige Verknüpfungen voneinander unabhängiger Sachverhalte“ bezeichnet. Mit einer Selbstanzeige beim Regierungspräsidium Chemnitz will der Politiker seine Weste reinwaschen. Die Aufsichtsbehörde ermittelt nun in einem Disziplinarverfahren. Eine Beurlaubung komme aber nicht in Frage, so das Regierungspräsidium. Dies wäre eine unzulässige Vorverurteilung.
Nicht zum ersten Mal stellt sich Regierungspräsident Karl Noltze damit vor den strauchelnden Landrat. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde aus dem Kreistag vom März ist bereits im Sande verlaufen, zwischenzeitlich betrachtete Noltze die Krankenhaus-Affäre als „geheilt“.
Doch der Landrat hat nicht nur ein politisches Problem: Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft prüft, ob sich der Landrat der Vorteilsnahme im Amt schuldig gemacht haben könnte. Die Ermittlungen gerieten Ende vergangener Woche sogar zur Räuberpistole: Kriminalpolizisten beschlagnahmten auf der kreiseigenen Mülldeponie in Niederdorf kistenweise Akten. Die Behörden hatten einen Tipp bekommen – nach eigenen Angaben von dem PDS-Landtagsabgeordneten Klaus Tischendorf, der einen „begründeten Hinweis“ auf einen „außerordentlichen Besuch“ Hertwichs auf der Mülldeponie erfahren haben will.
Nun wird auch auf Landesebene der Ruf nach einem Rücktritt des Stollberger Landrats laut. Die Oppositionsparteien im Landtag wollen übereinstimmend Hertwichs Kopfs. Die CDU im Freistaat hält Hertwich indes die Stange – noch. „Hertwich hat maßlos überzogen“, heißt es an der Unionsspitze. Es scheint nur noch eine Frage von Tagen, wann ihm der Rücktritt nahe gelegt wird.