Die falsche Geschichte einer Stadt

Stolpen und Basalt wurden bislang in einem Atemzug genannt. Jetzt stellen Forscher der Senckenberg-Gesellschaft für Naturkunde in Görlitz die gesamte Geologie von Stolpen infrage. In den vergangenen Monaten sind sie in die Stolpener Unterwelt abgetaucht, haben geschürft und ihre Proben nach neuesten wissenschaftlichen Methoden geprüft.
Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Burgberg um einen Maar-Diatrem-Vulkan handelt, der vor etwa 30 Millionen Jahren an der Erdoberfläche ausgebrochen war. Der heute praktisch komplett verschwundene Schlackenkegel habe ursprünglich in einem mindestens 110 Meter tiefen Krater gesessen, der im letzten Vulkanstadium mit Lava verfüllt wurde. Erst erdgeschichtlich jüngste Hebungs- und Abtragungsprozesse hätten zur Herausmodellierung der Gesteinsfüllung des Vulkans an der Erdoberfläche geführt.
Auf diesen charakteristischen Steinsäulen steht heute die Burg Stolpen. Bislang war man davon ausgegangen, dass es sich bei dem Gestein um Basalt handelt, zurückzuführen auf einen unterirdischen Subvulkan. Das heißt also, dass Magma in der Erdkruste erstarrte, ohne an die Oberfläche zu gelangen. Aber so war es eben nicht.
„Unsere neuesten Untersuchungen zeigen, dass die Stolpener Vulkanite gar keine Basalte sind“, sagt Olaf Tietz vom Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz. Aufgrund der neuen chemischen und mikroskopischen Untersuchungen müssten die Gesteine nach heutiger Nomenklatur als Basanit eingestuft werden. Doch weder Basalt noch Basanit findet man in Stolpen in reiner Form.

Zu dem Schluss kommen die Forscher nach Bohrungen in Stolpener Kellern, die der Geologe Thomas Scholle im Herbst vergangenen Jahres initiiert hatte. Er selbst arbeitet eng mit dem Görlitzer Senckenberg-Museum zusammen. Aufgrund des Wandels der wissenschaftlichen Methoden gehe man nun von Basanit aus.
Es gibt noch mehr Neuigkeiten
Bislang gelang in Stolpen der Nachweis eines Schlacke-Tuff-Aufschlusses nur unter dem alten Rathaus an der linken Marktoberseite. Aufgrund des Verkaufs von zwei Häusern konnten die Wissenschaftler nun zusätzliche Probebohrungen vornehmen und dabei weitere Schlacke-Tuff-Aufschlüsse in Stolpens Unterwelt finden. Als Tuff bezeichnet man ein Gestein aus mehr oder weniger verfestigter Vulkanasche, also aus dem körnigen Auswurfmaterial des Vulkans. Schlacken sind flüssig ausgeschleuderte Lavafetzen, die in der Luft oder am Boden erstarren und eben nicht im Inneren der Erdkruste.
Der Stolpener Geologe hat bereits in einigen seiner Publikationen darauf hingewiesen und genau kartiert, wo welche Minerale zu finden sind. Diese Erkenntnisse führen nun dazu, dass der bislang gebrauchte Begriff „Typlokalität für Basalt“ nicht mehr für Stolpen zutrifft. Die gefundenen Gesteine, sagt Thomas Scholle, seien dafür zu vielfältig.

Doch das ist nicht das einzig Neue. Die Wissenschaftler haben sich auch alte Aufzeichnungen hinsichtlich der Basalt-Definition vorgenommen, so auch die Aufzeichnungen von Georgius Agricola, der als Vater der Mineralogie und Wegbereiter der modernen Geologie und Bergbaukunde gilt. Und sie sind dabei auf Erstaunliches gestoßen.
1546 beschrieb der Gelehrte während einer seiner zahlreichen Reisen die Vulkanvorkommen von Stolpen als Basalte. Seitdem gilt Stolpen als typische Lokalität für das basische Ergussgestein Basalt. Agricola bezieht sich dabei auf den römischen Gelehrten Plinius dem Älteren – und saß einer fehlerhaften Abschrift auf. Plinius nämlich hatte ursprünglich den Begriff Basanit verwendet. „Wie wir heute wissen, ist der Begriff Basalt ein Abschreibefehler oder, wie Sprachwissenschaftler sagen, ein reines Geist-Wort, welches es so nie gab, das aber heute noch verwendet wird,“ erklärt Olaf Tietz.
Und nun? Olaf Tietz beruhigt die Stolpener. Auch wenn die Ergebnisse zeigen, dass Stolpen weder eine Typlokalität für Basalt noch für Basanit ist, da hierfür die Zusammensetzung des Gesteins zu unrein ist, habe die Stadt aufgrund ihrer einzigartigen Wissenschaftsgeschichte und der fantastisch ausgebildeten Gesteinssäulen eine große Bedeutung als Vulkanlokalität, sagt der Wissenschaftler.
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