Stolze Hengste, edle Wagen und glänzende Geschirre

Moritzburg. Die Kutschen in der Wagenremise des Landgestüts an der Moritzburger Schlossallee sind auf Hochglanz poliert. Davor gespannte Kordeln halten Besucher auf Abstand. Informationen zum Modell, zur früheren Nutzung, zum Hersteller und anderes Wissenswertes erfahren Interessierte von keinen Tafeln. Museumsatmosphäre. Doch die täuscht.
„Ich habe immer gesagt, wir brauchen kein Kutschenmuseum. Das ist nur gut für den Holzwurm“, sagt Matthias Görbert, Landstallmeister a. D. Dennoch befinden sich in dem über die letzten 100 Jahren gewachsenen Bestand des Landgestüts rund 35 verschiedene Modelle. Von einigen sogar mehrere Exemplare. So etwa zwölf Traberwagen, die 1993 neu gebaut wurden. Die Originale waren ein Jahr zuvor bei einem großen Scheunenbrand ein Opfer der Flammen geworden. Wie auch andere historische Wagen.
Für Matthias Görbert, der über 30 Jahre die Geschicke des Landgestüts lenkte, war das Beschäftigen mit den historischen Wagen immer auch ein Hobby. „Sie sind keine museale Sammlung, sondern vielmehr Fahrzeuge, die im Alltag zum Ausbilden und Trainieren der Hengste, zum Teil zur Erledigung von Transportarbeiten, zur Präsentation der Landbeschäler bei den Hengstparaden sowie im Fahrsport bei Turnieren eingesetzt werden“, sagt Matthias Görbert.
Sein profundes Wissen hat er jetzt in einem Buch niedergeschrieben. Detailreich, übersichtlich geordnet, mit mehr als 200 tollen Fotos und gut gestaltet. Angesprochen werden damit dennoch nicht nur Pferdeliebhaber und Experten. Denn zahlreiche Anekdoten und Episoden lassen die Geschichte der Wagen lebendig werden.
Der Landstallmeister a.D. widmet sich in seinem Buch aber auch noch einem anderen Schatz, dem nicht minder sein Interesse gilt - den Geschirren. In mittlerweile optimal eingerichteten vier Kammern lagert die gesamte Ausrüstung, wie Görbert schreibt. Alle Geschirre, die Kandarenzäume und Trensen für die Hengstparaden, die Schabracken für die Dressurquadrille, die Kutschlampen für alle Wagen, die Fanfaren und Kesselpauken für den Fanfarenzug sowie Bekleidung und historische Uniformen mit Dreispitzen und Zylindern. Und natürlich auch verschiedene Arten von Peitschen.
Das war nicht immer so. „Früher waren die Kammern feucht. In der DDR fehlten Handwerker und Material. Jedes alte Stück war irgendwann wertvoll, um die Geschirre einsatzbereit zu halten“, erinnert sich Dr. Matthias Görbert. Auch was nicht mehr genutzt werden konnte, wurde nicht weggeworfen. Nach der Wende investierte der Freistaat dann nicht nur Geld in die Sanierung der historischen Gebäude, auch die alten Geschirre konnten aufgearbeitet werden. Die neu hergestellten Kopfstücke schmücken so beispielsweise die historischen Messingstücke mit dem sächsischen Wappen und der Krone mit dem M - dem früheren Brandzeichen des Landgestüts. Für die jährlichen Hengstparaden werden die Geschirre noch einmal besonders auf Hochglanz gebracht. Eine Woche vorher wird poliert, die Pflegearbeiten danach dauern auch noch einmal so lange.
Dr. Andres Furger lobt in seinem Vorwort zum Buch nicht nur dieses. Der Franzose, ein ausgemachter Experte auf dem Gebiet der Wagen, Kutschen und Geschirre, hebt auch die besondere Rolle des Landgestüts hervor. Er schreibt: „Wagen und Geschirre gehören hier dazu, wie vor 100 Jahren in fast allen großen Gestüten Europas. Heute aber ist das die Ausnahme. In Frankreich sollten jüngst die Wagen der Nationalgestüte verschrottet oder verscherbelt werden, von den alten Geschirren spricht man schon gar nicht.“
In Moritzburg wurden nicht nur die im Bestand befindlichen Wagen bewahrt, sondern auch neue erworben. Oder wie nach dem Verlust durch den Scheunenbrand originalgetreu nachgebaut. Etwa die Postkutsche, die bei Hengstparaden von 16 „Moritzburgern“ - Hengste der Rasse Schweres Warmblut - gezogen wird, oder die königlich-sächsische Staatskalesche.
Ein Schmuckstück, das Matthias Görbert besonders am Herzen liegt, ist die Park Coach. Vor der Wende hatte er einen Illustrierten-Ausschnitt mit einem Bild dieser eleganten englischen Postkutsche für den privaten Gebrauch in die Hände bekommen. Danach gelang es ihm, ein solches Modell, gelb-schwarz angemalt, für ein, zwei Hengstparaden aus Wernigerode nach Moritzburg zu holen. „Schließlich konnten wir sie erwerben und wieder im klassischen dunklen Aussehen herrichten lassen.“ Beim Traditionsfahrturnier in Loßburg gab es dafür den Stilpreis.
Das Buch „Wagen und Geschirre im Sächsischen Landgestüt Moritzburg“ erhalten Sie zum Preis von 19,90 Euro (zzgl. Versandkosten) über den Verlag Sachsens Pferde: www.sachsens-pferde.de/shop, oder im Landgestüt.
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