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Strauch und Strauch gesellt sich gern

Die langjährige Dorffreundschaft zwischen den Sachsen und den Eiflern hat viel Schönes hervorgebracht – auch Liebesgeschichten.

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Von Susanne Plecher

Kerstin und Dirk Breuer stammen beide aus Strauch: Sie aus dem sächsischen, er aus dem nordrhein-westfälischen. Seit 16 Jahren gehören sie zusammen. Genau genommen begann ihre gemeinsame Geschichte schon viel eher. Damals hieß sie noch Minsel, und damals gab es auch die DDR noch.

Ein Luftballon mit Adressbriefchen hatte es über die Grenze geschafft. Ein kräftiger Westwind hatte ihn von Düren in den nördlichsten Winkel des Bezirks Dresden geweht. Auf einem Feld bei Strauch setzte er ihn ab. Dort fand ihn Kerstin Minsels Bruder Hans-Jörg, hob ihn auf und schrieb einen Brief in die BRD. Das war gewissermaßen die Grundsteinlegung für die Freundschaft, die die Straucher seit 23 Jahren verbindet. Denn kurz nach der Maueröffnung besuchte Hans-Jörg Minsel seine Bekannten in Düren, inzwischen standen sie in regem Briefkontakt.

Ein Abstecher nach Strauch in der Eifel stand auch auf seinem Plan. Den Ort, der genauso heißt wie sein Heimatdorf, hatte er vorher im Atlas entdeckt. „Der Ortsvorsteher hatte nicht gewusst, dass es in Sachsen auch ein Strauch gibt“, erinnert sich Kerstin Breuer. „Aber daraus hat sich unsere Dorffreundschaft entwickelt.“ Und in deren Folge auch die Liebe zu ihrem Mann.

1990 sind die Eifler zum ersten Mal nach Sachsen gereist, wenige waren das damals, in Autos kamen sie an. Drei Jahre später war auch Dirk Breuer mit dabei. „Wir sind schnell in Kontakt gekommen“, sagt er. „Der Empfang war herzlich, ich habe mich hier vom ersten Moment an wohl gefühlt.“ An Ausflüge mit den Trabbis erinnert er sich gern, an Disco-Besuche und Lagerfeuer. Die Autos reichten bald bei Weitem nicht mehr aus. Seit 1995 kommen die Straucher mit einem Reisebus. Zwei Jahre später formierte sich ein wackeres Grüppchen, das den weiten Weg regelmäßig mit dem Fahrrad zurücklegt.

Alle zwei Jahre sieht man sich, zumindest in der großen Runde. Der Besuch wechselt sich ab. Weil sich inzwischen aber stabile Freundschaften entwickelt haben, gibt es auch zwischendurch Einladungen: Zum runden Geburtstag oder zur Hochzeit. Zwei Ehepaare hat die Dorffreundschaft hervorgebracht. Die Männer kommen aus der Eifel, die Frauen stammen aus Sachsen. Angeblich sollen hier schließlich die schönen Mädels auf den Bäumen wachsen. 1997 haben sich Jörg und Jeannine Theis kennengelernt, ihr zweites Kind ist gerade unterwegs. Auch die Liebe der Breuers begann 1997. Einige Jahre hat die Familie mit ihren zwei Kindern in Strauch in der Eifel gelebt, bis Dirk Studium und Promotion abgeschlossen hatte. 2008 bekam er ein gutes Angebot der Gröditzer Schmiedewerke. Seither wohnen sie in Glaubitz. Kerstin hat beim ASB Arbeit gefunden. Die Freundschaften, die sie in der Eifel geschlossen haben, sind ihnen wichtig. Auch die Kinder halten das so. Wenn Sophie und Maurice ihre Großeltern besuchen, treffen sie ihre Kindergartenfreunde. Einige von denen sind dabei, wenn nächsten Donnerstag die Gäste aus Strauch in Strauch eintreffen. 2011 waren die Sachsen bei ihren Freunden. „Erntedankfest war damals und das neue Pfarrhaus ist eingeweiht worden. Wir haben am Festumzug teilgenommen“, erinnert sich Ortsvorsteherin Maria Wendler. Nun wird wieder zum Gegenbesuch gerüstet. 14 Eifler fahren am Freitag mit dem Fahrrad los, darunter Dirk Breuer. Er hat Urlaub genommen, um die 680 Kilometer mit seinen Freunden zu strampeln. Die verteilen sie auf sechs Etappen.

Die erste ist mit 144 Kilometern die längste. Am Donnerstag, 30. Mai wollen sie ankommen, und zwar möglichst vor dem Reisebus. Am Sonntag geht es wieder zurück, diesmal im Bus. Zwischendrin haben die Organisatoren einiges geplant, Elvira Gutsche hat sich dabei besonders engagiert, wie Ortsvorsteherin Maria Wendler sagt. Auf dem Programm stehen Schifffahrt auf der Elbe, Dorffest und Kindertag. Am Sonnabend besuchen sie Großenhain, ein geführter Stadtrundgang ist geplant. Schließlich gehört Strauch jetzt auch zur Stadt. Als die Eifler 2009 zum letzten Mal da waren, war das noch anders. Kurz wird darüber geredet, meint Maria Wendler. Aber eigentlich spiele Kommunalpolitik bei den Treffen kaum noch eine Rolle. Es gibt viel zu viel anderes zu erzählen.