Streit über Ehrenbürgerwürde von SS-Mann

Ein SS-Obergruppenführer als Ehrenbürger von Liberec in Tschechien? Das klingt kurios, ist aber eine Tatsache. Es handelt sich um Konrad Henlein, 1898 in Maffersdorf (heute Vratislavice) bei Reichenberg geboren. Der Bankangestellte und spätere Turnlehrer war Gründer der Sudetendeutschen Heimatfront, später die Sudetendeutsche Partei (SDP). Er wurde auch ihr Vorsitzender. Reichenberg verlieh ihm am 31. Januar 1939 die Ehrenbürgerschaft.
Die will man dem späteren SS-Mann nun entziehen. Dies ist das erste und erklärte Ziel einer neuen politischen Bewegung mit dem Namen „Erste Republik“. In einer Petition sammelte sie schon rund 300 Unterschriften für die Aberkennung.
Momentan kommt der Unterschriftenzuwachs aber nur langsam voran. Denn viele junge Leute haben keine Ahnung, wer Henlein überhaupt war, wie die Initiatoren sagen. Sie machen trotzdem weiter. „Wir wollen Henlein nicht aus der Geschichte entfernen, aber es ist kaum zu fassen, dass ein SS-Obergruppenführer Ehrenbürger der Stadt Liberec bleibt“, begründet Matouš Bulíø, Vorsitzender der Bewegung, das Ansinnen in der Liberecer Beilage der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“. Die neue politische Initiative bekennt sich zum Hussitentum, zum Nationalismus und Antiislamismus. Bei der Europawahl bekam sie allerdings nur 0,03 Prozent der Stimmen.
Auch andere Städte wie Grulich (Králíky) in Ostböhmen, wo er am 9. Mai 1939 zu Besuch war, verliehen Konrad Henlein die Ehrenbürgerschaft. Dort habe es schon zwei erfolglose Versuche gegeben, ihm die Auszeichnung abzuerkennen.
Der Liberecer Primator Jaroslav Zámečník (SLK, Bürgermeister für die Region Liberec) hält vom Vorstoß der „Ersten Republik“ nichts. „Ich bin klar dagegen“, sagt er. „Auch kommende Generationen sollen wissen, wie sehr damalige Stadtvertreter Henlein schätzten. Seine Ehrenbürgerschaft ist ein Dokument der damaligen Zeit“, begründet er seine Ablehnung.
Die „Erste Republik“ mit Matouš Bulíø entgegnet: „Mit diesem Argument kommen wir nicht zurecht.“ Laut Historiker und Heimatforscher Ivan Rous vom Nordböhmischen Museum in Liberec kann man die Ehren-Liste nicht ändern, obwohl dort kontroverse Namen stehen, darunter Klement Gottwald. Er war erster kommunistischer Staatspräsident der Tschechoslowakei. Sein Regime unterdrückte die Opposition massiv, ließ 178 Menschen aus politischen Gründen hinrichten.
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