Von Thomas Christmann
Befürworter und Gegner beharken sich: Die Diskussion um das geplante Einkaufscenter an der Albertstraße hat sich festgefahren. Zu dem Ergebnis kommt Uwe Altrock von der Uni Kassel in seinem Vortrag. Er sprach im Rahmen der Podiumsdiskussion, zu der die Bürgerinitiative „Zittaus bessere Mitte“ am Dienstagabend ins Volkshaus lud. Was fehle, sei eine umfassende Analyse der Situation in der Innenstadt, sagt der Professor für Stadterneuerung und -umbau. Eine, die den Blick auf mögliche Alternativen der Entwicklung lenke. Alles so zu lassen sei keine Lösung, sagt er mit Blick auf die Kaufkraftabflüsse. Nach eigenen Berechnungen sind maximal 6 000 Quadratmeter Verkaufsfläche verträglich. Der 27-jährige Master-Student Konstantin Müller hat deshalb vier Szenarien in seiner Abschlussarbeit analysiert.

Szenario 1: Das geplante Center
an der Albertstraße
Das bisher geplante Einkaufscenter stuft er als höchstens gering verträglich ein. Anpassungen seien nötig. Die innerstädtische Verkaufsfläche soll mit 9 000 Quadratmetern um 65 Prozent erweitert werden. Massive Umstrukturierungen und steigender Leerstand wären die Folge, sagt Konstantin Müller. Die Überbauung der Albertstraße, das Parken auf dem Dach und die Eingriffe in den Häuserbestand hält der Student für städtebaulich unverträglich. Auch wenn die Straße öffentlich zugänglich bleibt, verliert sie ihre Verkehrsfunktion. Dadurch drohe eine räumlich abgeschottete Mall, sagt Konstantin Müller. Unverhältnismäßig viele Stellplätze würden die Situation begünstigen, wirtschaftlich autark zu sein. Die Anlieferung führe zudem zu Verkehrsproblemen auf der Neustadt. „Eine Stärkung der Innenstadt kann so nicht gelingen“, sagt er. Allerdings steht ein Investor parat. So sei die Finanzierung und Realisierung wahrscheinlich, so der Student.
Szenario 2: Alternatives Centerkonzept Albert-Passage
Bei seiner Idee der Albert-Passage wird nur die nördliche Seite der Straße bebaut. Damit bleibt die historische Bausubstanz im Süden erhalten. „Das macht Zittau aus“, sagt Konstantin Müller. Der Gebäudekomplex im Norden erstreckt sich über drei Geschosse und stärkt die Blockstruktur der Neustadt. Ein Gebäude in der Reichenberger Straße müsste dafür abgerissen werden, bei einem zweiten bleibt zumindest die Fassade erhalten. Die ersten zwei Geschosse des Neubaus stehen dem Handel zur Verfügung. In der obersten Etage kommen Ärzte-, Büro- und Verwaltungsräume unter. Die Attraktivität für Handel sinke mit steigender Geschossigkeit, begründet Konstantin Müller. Mit 6 300 Quadratmetern erweitert das Center die Verkaufsfläche nur um 45 Prozent. Wenige großflächige Magnetbetriebe sollen die negativen Auswirkungen auf den bestehenden Handel verringern. Zum Parken ist eine Tiefgarage geplant. Die Anlieferung erfolgt über einen Innenhof. Eine Passage von der Albert- in die Reichenberger Straße soll die Anbindung zum Marktplatz verbessern und ein Wiederbeleben der Fleischerbänke bewirken. Dass die Alternative zeitnah umzusetzen ist, nimmt Konstantin Müller nicht an. Die Suche nach einem Investor sei herausfordernd, aber nicht aussichtslos.
Szenario 3: Zentrum für Behörden
und Einkauf am Mandauer Berg
Den Handel allein zu entwickeln, reicht Konstantin Müller aber nicht aus. Die Innenstadt müsse auch als Arbeits- und Wohnort langfristig gestärkt werden. Mit dem Einkaufs- und Behördenzentrum am Mandauer Berg versucht er diesen Weg zu gehen. Aufgrund der Brachflächen sind in dem Quartier fast keine Eingriffe in den Bestand nötig, aber die Blockstruktur wird wieder geschlossen. Fünf dreigeschossige Gebäude sieht der Plan vor. Durch die offene Bauweise entstehen neue Wege. Das stärkt die Anbindung zum Markt. Der Einzelhandel liegt im Erd- und ersten Obergeschoss, mit einer Verkaufsfläche von 5 000 Quadratmeter. Die Größe sieht Konstantin Müller als notwendig an, um eine Stabilisierung und Aufwertung der Innenstadt zu erreichen. Das zweite Obergeschoss ist der Verwaltung vorbehalten. Ihr stehen 6 300 Quadratmeter zur Verfügung. Damit könnten kommunale Einrichtungen vom Stadtrand ins Zentrum geholt werden, mehrere hundert Arbeitsplätze wären betroffen. Fürs Parken ist eine Tiefgarage vorgesehen. Das Potenzial des Vorhabens schätzt der Student hoch ein. Die Umsetzung sei durch Fördermittel und Beteiligen des Einzelhandels wahrscheinlich machbar, sagt er, aber nicht in nächster Zeit.
Szenario 4: Die gesamte Innenstadt
als Einkaufscenter
Zittaus Innenstadt als Kaufhaus zu betrachten, basiert auf der Idee der Bürgerinitiative. Im Mittelpunkt steht die Wiederbelebung leerstehender Gebäude für den Handel. Die sollen den heutigen Anforderungen angepasst werden. An der Albertstraße ist statt eines Centers ein generationsübergreifendes Wohnprojekt geplant. Das Vorhaben dürfte eher auf Jahrzehnte ausgelegt sein, sagt Konstantin Müller, die Umsetzung aufgrund begrenzter Mittel und Kapazitäten schwierig sein. Doch trotz der Herausforderungen auf der Suche nach Investoren und hohen Kosten sei dieses kleinteilige Vorhaben besonders nachhaltig für die Stadtentwicklung.
Lösung: Kooperation zwischen Handel, Eigentümern, Stadt und Politik
Für Konstantin Müller gibt es nicht die eine Lösung. Er will aber Ideen geben. Es sei wichtig, gemeinsam das Beste für Zittau zu suchen, sagt der Student. So gefalle ihm zwar das Erscheinungsbild der Stadt, aber sie liege im Dornröschenschlaf. Um Zittau verträglich zu entwickeln, schlägt Konstantin Müller deshalb ein Gremium vor. Darin sitzen gewählte Vertreter des Einzelhandels, der Bürger, Politik, Institutionen wie Stadt und Grundstückseigentümer. Mit Hilfe von externen Sachverständigen sollen sie Konzepte und Projekte zur Stärkung des Handels und der Innenstadt entwickeln. Damit die Gespräche konstruktiv laufen, sei ein außenstehender Moderator nötig, sagt er. Parallel sollen Investoren beworben werden. Ein Gestaltungsbeirat könnte beispielsweise neue Impulse geben und helfen, planerische Fehler zu vermeiden.